Kollektive Regelungen
Kollektive Regelungen zur Gestaltung der Arbeits- und Vergütungsbedingungen von Solo-Selbstständigen: Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Aber wie so häufig bei Solo-Selbstständigen handelt es sich um Sonderregelungen für bestimmte Branchen und Berufsgruppen – allesamt jedoch Erfolge von langfristigem, solidarischem Engagement aktiver SoloS und ihrer Interessengemeinschaften. Hier stellen wir euch vor, welche kollektiven Regelungen und Ansätze es bislang gibt und hoffen, diese Erfolge sind euch Inspiration und Mutmacher.
Was sind kollektive Regelungen für Solo-Selbstständige?
Kollektive Regelungen bzw. Kollektivvereinbarungen setzen hier an: Sie werden von Auftraggebenden und Auftragnehmenden bzw. ihren Gewerkschaften oder Verbänden ausgehandelt. Kollektivregelungen sollen Solo-Selbstständigen als Schutz im Hinblick auf ihre Vergütung und soziale Absicherung (z. B. Schutz vor überraschender Kündigung des Vertragsverhältnisses) dienen.
Da beide Seiten dem Aushandlungsergebnis zustimmen, wird dieses wirkmächtig bzw. rechtlich bindend. In Deutschland gibt es einige Beispiele für unterschiedliche Ausprägungen von Kollektivvereinbarungen, etwa Tarifverträge nach § 12a Tarifvertragsgesetz, branchenspezifische Vergütungsregelungen, Normverträge und Tarifverträge bzw. Entgeltregelungen nach § 17 Heimarbeitergesetz. Darüber hinaus gibt es in der BRD Rechtsverordnungen und Gebührenordnungen, in denen Vertrags- und Vergütungsbedingungen von Solo-Selbständigen gesetzt werden. Sie stellen zwar keine kollektiven Regelungen im eigentlichen Sinne dar, sichern aber auch Mindeststandards in bestimmten Tätigkeitsbereichen. Außerdem sind sie für Interessenzusammenschlüsse von Solo-Selbständigen relevant, weil sie über politische Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit verändert werden können. Schließlich gibt es reine Empfehlungen, die nicht rechtlich bindend sind, aber zumindest eine Orientierungsfunktion erfüllen. Im Folgenden findet ihr Beispiele für unterschiedliche Ausprägungen kollektiver Regelungen bzw. Ansätzen, die Vertrags- und Vergütungsbedingungen von Solo-Selbstständigen zu gestalten.
Steht kollektiven Regelungen für Solo-Selbstständige etwas im Weg?
Der holprige Weg beginnt bereits mit der Definition von Solo-Selbstständigen. Sie gelten im europäischen und deutschen Recht einerseits als Unternehmen, andererseits als „worker“/Erwerbstätige.
Und es geht holprig weiter, da die jeweilige Definition mit verschiedenen Rechtsansprüchen und entsprechenden Möglichkeiten verbunden ist. So dürfen sich Selbstständige zwar zu bzw. in einer Kollektivvereinigung, wie einer Gewerkschaft organisieren, umstritten ist jedoch, welche Rechte diese Vereinigungen haben, um Einfluss auf die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu nehmen. Wesentlich für die Auseinandersetzung sind die Auslegung des Koalitionsgrundrechts und des Kartellrechts auf der deutschen, v. a. aber auch auf der europäischen Ebene.
Das Koalitionsgrundrecht
Noch enger gefasst ist der Art. 28 GRCh (Charta der Grundrechte der Europäischen Union): Das Recht auf Kollektivverhandlungen und -maßnahmen kommt hier allein Arbeitnehmenden zu. Für wen das Koalitionsgrundrecht bzw. das Recht auf Kollektivabreden gilt und für wen nicht, ist außerordentlich bedeutsam, weil damit zugleich angezeigt ist, welche Kollektivabreden erlaubt sind und welche unter das Kartellverbot fallen.
Das Kartellrecht
Da Solo-Selbstständige hier als Unternehmen definiert wurden und kein Unterschied zu großen Konzernen gemacht worden ist, fielen bislang potenziell alle Vereinbarungen zwischen ihnen unter das Kartellverbot. Ausgenommen waren lediglich Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen (§ 12a TVG), da diese als besonders sozial schutzbedürftig gelten (Bayreuther 2019: 8)
Die Perspektive
Die Gewerkschaft ver.di mit ihren über 30.000 solo-selbstständigen Mitgliedern hatte sich intensiv in die Entwicklung der Leitlinien eingebracht und u. a. dafür gesorgt hat, dass diese nicht nur für auf Plattformtätige, sondern all jene Solo-Selbstständigen gelten, die sich in einer mit Arbeitnehmer*innen vergleichbaren Situation oder in einer schwachen Verhandlungsposition befinden. Offen ist noch, wie sich die EU Leitlinien in Deutschland niederschlagen. Zu hoffen ist jedenfalls auf viele Tarifverträge, die Gewerkschaften für und mit ihren Mitgliedern verhandeln.
Beispiele für Kollektivvereinbarungen zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggebenden
Dazu zählen insbesondere Tarifverträge nach § 12a Tarifvertragsgesetz, die von Gewerkschaften (z.B. ver.di) mit den auftraggebenden Unternehmen und Organisationen bzw. deren Vertretung abgeschlossen werden und rechtlich verbindlich sind. Solche Tarifabschlüsse sind jedoch nur für eine kleine Gruppe Solo-Selbstständiger möglich: Sie können für arbeitnehmerähnliche Personen, die wirtschaftlich von einem Auftraggebenden abhängig sind abgeschlossen werden. Bislang gibt es Tarifverträge für Selbstständige nur im Medienbereich (öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Tageszeitungen) und Design, denkbar sind sie jedoch z. B. auch für den Bildungsbereich. In der Rubrik Tarifverträge findet ihr ausführliche Informationen zum Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit und dem §12a Tarifvertragsgesetz.
Auch Kollektivabreden werden von den Gewerkschaften und Verbänden der Solo-Selbstständigen und den auftraggebenden Unternehmen oder deren Vereinigungen ausgehandelt. Das beste Beispiel für solche Kollektivabreden sind branchenspezifische Gemeinsame Vergütungsregeln, wie sie das Urheberrechtsgesetz vorsieht. Nach dem Urheberrechtsgesetzt (§ 32 UrhG) haben Urheber*innen einen Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“.
Was als „angemessen“ gilt, wird zwischen Vereinigungen von Urheber*innen mit den Werknutzer*innen bzw. deren Vereinigungen in gemeinsamen Vergütungsregeln ausgehandelt (§ 36 UrhG). Ein gutes Beispiel sind die Gemeinsamen Vergütungsregeln Belletristik, die der Verband deutscher Schriftsteller*innen in ver.di mit einigen namhaften Belletristikverlagen aufgestellt hat. Auch wenn diese Regeln formal nur für die unterzeichnenden Verlage rechtlich bindend sind, definieren sie, was als „angemessene Vergütung“ gilt und sind damit ein wesentlicher Orientierungsmaßstab. Doch auch diese kollektive Regelungsmöglichkeit besteht nur für eine bestimmte Gruppe Solo-Selbstständiger – Urheber*innen von literarischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Werken sowie ausübenden Künstler*innen.
Normverträge sind Rahmen- oder Musterverträge, die von den Gewerkschaften und Verbänden der Solo-Selbstständigen mit den Organisationen der Auftraggebenden aufgesetzt werden. Der Normvertrag für Verlagsverträge, der vom Verband der deutschen Schriftsteller*innen in ver.di mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels aufgesetzt wurde, ist ein gutes Beispiel. Rechtlich verbindlich werden solche Normverträge allerdings erst, wenn sie in das individuelle Vertragsverhältnis eingeführt werden. Sie dienen jedoch so oder so wieder als wichtiger Orientierungsmaßstab.
Das Heimarbeitsgesetz (§ 17 HAG) erlaubt es Gewerkschaften und Verbänden von Heimarbeitenden sowie Auftraggebenden bzw. deren Verbänden, Tarifverträge und Entgeltregelungen abzuschließen. Das Gesetz gilt für eine bestimmte, heute sehr kleine Gruppe von (Solo-)Selbstständigen: Heimarbeitende und Hausgewerbetreibende. Dabei handelt es sich um Selbstständige, die in der eigenen Wohnung (oder einer selbst gewählten Betriebsstätte) für einen oder mehrere Auftraggebende tätig ist, wobei die Verwertung der Arbeitsergebnisse (z. B. der Verkauf der hergestellten Waren) durch letztere übernommen wird. Entscheidend für die Möglichkeit, Tarifverträge für diese Gruppe Selbstständiger abzuschließen, ist (wie im Falle des § 12a TVG für arbeitnehmerähnliche Personen) deren wirtschaftliche Abhängigkeit von einem/einer bzw. mehreren Auftraggebenden. Da es heute kaum noch Heimarbeitende gibt, existieren gegenwärtig auch keine entsprechenden Tarifverträge. Diskutiert wird das HAG als Möglichkeit zur kollektiven Regelung von Arbeits- und Erwerbsbedingungen v. a. im Hinblick auf bestimmte Plattformarbeitende, für die Mehrzahl von (Solo-)Selbstständigen ist es jedoch nicht übertragbar (Bayreuther 2019: 5).
Beispiele für verbindliche Regelungen der Vertrags- und Vergütungsbedingungen für Solo-Selbstständige auf dem Rechtsweg
Solche Rechtsverordnungen können auch die Vertrags- und Vergütungsbedingungen von Solo-Selbstständigen, die in einem Geschäftsbereich tätig sind, regeln. Beispiele sind etwa die Verwaltungsvorschriften für Honorare im Bereich Sozialwesen (HonVSoz) oder die Ausführungsvorschriften für Honorare im Geschäftsbereich der Kinder- und Jugendhilfe. Im Bildungsbereich sind die Berliner Ausführungsvorschriften über Honorare an den Volkshochschulen erwähnenswert. An diesen wird besonders deutlich, dass auch rechtliche Regelungen durch kollektives Handeln – hier das Engagement der in ver.di organisierten Berliner VHS-Dozent*innen – gestaltbar sind und der Einsatz sich lohnt.
Ein besonderes Konstrukt steht hinter dem bundesweit einheitlichen Mindesthonorar von 41€, das Honorar-Lehrkräfte bekommen, die in Integrations- und Berufssprachkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Deutsch lehren.
Was steckt dahinter? Die Integrationskursverordnung (IntV) legt Kriterien für die Zulassung von Trägern fest: Zum Kriterium der „Leistungsfähigkeit“ zählt unter anderem die Höhe der Kursleiter*innenhonorare (§ 19 Abs. 2, 6. IntV), welche das BAMF festlegen kann (§ 20 Abs. 2 IntV). Die Festlegung der Mindesthonorarhöhe erfolgt intern im BAMF und wird in Trägerrundschreiben bekannt gegeben. Unterschreitet ein Träger das Mindesthonorar erfolgt die Zulassung nur für ein Jahr (anstatt drei bzw. fünf Jahre). Die Vergütungssätze, welche die Träger pro Teilnehmer*in und Unterrichtseinheit erhalten, werden dementsprechend angepasst, damit die Träger auch in der Lage sind, die Honorarsätze zu zahlen. Nachlesen kann man sie in den Abrechnungsrichtlinien für Integrationskurse des BAMF. Auch in der berufsbezogenen Deutschsprachförderung – also Berufssprachkursen – die das BAMF gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales verantwortet und in denen viele DaZ-Lehrkräfte arbeiten, werden bundesweit 41€/Unterrichtseinheit gezahlt. Das dahinter stehende Verfahren ist das Gleiche und in der Deutschsprachförderverordnung (DeuFöV) (§ 10 Abs. 2, 9 DeuFöV) sowie der dazugehörigen Abrechnungsrichtlinie (§ 9 Abs. 1 AbrRL DeuFöV) geregelt.
Gebührenordnungen sind vom Gesetzgeber in Form von Gesetzen, Verordnungen oder Satzungen festgelegte Entgelte für bestimmte Dienstleistungen. Solche staatlichen Mindestvergütungssätze existieren für einige freiberufliche Tätigkeiten, zum Beispiel das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Solche Festsetzungen sollen die wirtschaftliche Situation der Selbstständigen stärken und einen Unterbietungswettbewerb verhindern. Auf diesem Wege soll die Qualität der Dienstleistungen gesichert und die Allgemeinheit geschützt werden. Diese Verpflichtung auf das Gemeinwohl ist die wesentliche Legitimation für den Markteingriff durch Vergütungsfestsetzungen, der mit Blick auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) wettbewerbsrechtlich eigentlich untersagt ist (Bayreuther 2018: 32ff.). Allerdings gibt es auch sozialpolitisch begründete Schutzmechanismen, „[…] wenn nur so gewährleistet werden kann, dass Beschäftigte einen angemessenen Lohn erhalten und nur so ein nicht hinnehmbares ‚Sozialdumping‘ vermieden werden kann.“ (ebd.: 34) Solche Erwägungen ließen sich auch mit Blick auf jene Solo-Selbstständigen, die kaum Marktmacht haben und wirtschaftlich von einem/einer Auftraggebenden abhängig sind, anstellen und eine ensprechende Regelung begründen.
Beispiele für unverbindliche Empfehlungen für Solo-Selbstständige
Tarifverträge für Arbeitnehmerähnliche
Selbstständige haben mit Arbeitnehmenden erst einmal gar nichts gemeinsam. Was also bitteschön soll man unter arbeitnehmerähnlich verstehen? Tatsächlich arbeiten die wenigsten Selbstständigen für viele wechselnde Auftraggeber. Meist etablieren sich Geschäftsbeziehungen zu einigen wenigen Auftraggebenden, die auf Vertrauen und Verlässlichkeit beruhen. Mit der Zeit können Dienst- oder Werkverträge für einen einzigen Auftraggebenden überwiegen. Selbstständige könnten so in einen arbeitnehmerähnlichen Status übergehen. Das festzustellen, ist für Selbstständige deshalb wichtig, weil mit dem Status bestimmte Ansprüche und Leistungen verbunden sind. Außerdem können mehrere Selbstständige, die für denselben Auftraggeber als Arbeitnehmerähnliche tätig sind, gemeinsam mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag für sich verhandeln. Es lohnt sich also, zu wissen, was arbeitnehmerähnlich bedeutet.
Arbeitnehmerähnlichkeit
Kathy Ziegler im Gespräch
Auch Solo-Selbstständige wissen womöglich nicht, dass sie in den Status der Arbeitnehmerähnlichkeit gelangt sind. Denn diesen Status müssen sie sich erst erarbeiten – wie Luisa. Sie ist 30 Jahre alt und arbeitet seit 2019 für Deutschlandfunk Nova. Sie startete als freie Mitarbeiterin wie viele andere, dass sie mit der Zeit den Status der Arbeitnehmerähnlichkeit erreichen kann, war ihr damals gar nicht klar: „Der Begriff arbeitnehmerähnlich ist mir tatsächlich überhaupt nicht über den Weg gelaufen, bevor ich bei Deutschlandfunk Nova angefangen habe.“ In ihrer zweiten Dienstwoche sagte ihr ein Kollege beim Mittagessen in der Kantine, dass sie demnächst arbeitnehmerähnlich sein wird. Was das für sie eigentlich bedeutet, musste sie erst einmal herausfinden.
Kathy Ziegler im Gespräch
Woher weiß ich, dass ich arbeitnehmerähnlich bin?
Zunächst starten Arbeitnehmerähnliche als Solo-Selbstständige und nehmen Aufträge von Auftraggebenden an. Wenn sich durch die Häufigkeit der Aufträge von einem einzigen Auftraggeber dieser als Hauptauftraggeber herausstellen sollte, ist das ein erstes Indiz für Arbeitnehmerähnlichkeit. Folgendes gilt es dann zu prüfen:
Bin ich wirtschaftlich abhängig?
Wenn das Einkommen zu einem Drittel bei einem einzigen Auftraggeber erzielt wird, ist eine wirtschaftliche Abhängigkeit gegeben. Diese Einkommensschwelle gilt bei künstlerischen und publizistischen sowie journalistischen Tätigkeiten. Bei anderen Tätigkeiten wie Bildungsberufen, also bei freien VHS-Dozent*innen oder Museumspädagog*innen, muss sogar mehr als die Hälfte des Einkommens durch die Honorare eines einzelnen Auftraggebers erwirtschaftet werden, um als wirtschaftlich abhängig zu gelten. Die Techniker Krankenkasse schreibt dazu in ihrem Lexikon Arbeitsrecht: „Wirtschaftliche Abhängigkeit liegt vor, wenn die betreffende Person nicht für den Markt arbeitet, ihre Erzeugnisse also nicht selbst beim Publikum oder jedenfalls bei einer Vielzahl von Auftraggebern absetzt, sondern nur für einen oder einzelne Auftraggeber tätig ist, wobei der Auftraggeber den Absatz an das Publikum übernimmt, also das Unternehmerrisiko trägt.“
Gesetzlich wird diese wirtschaftliche Abhängigkeit im § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG) definiert.
Welche Vorteile habe ich als Arbeitnehmerähnliche*r?
Wenn diese wirtschaftliche Abhängigkeit vorhanden ist, dann gilt der/die Arbeitnehmerähnliche als sozial schutzbedürftig, weil die Abhängigkeit von einem Hauptauftraggeber ähnlich der eines/einer Arbeitnehmenden von einem/einer Arbeitgebenden ist.
Das bedeutet, dass bestimmte Schutzrechte auch für Arbeitnehmerähnliche greifen wie:
Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub (BUrlG § 1 ff., § 12)
- § 1: „Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.“
- § 2: „Als Arbeitnehmer gelten auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.“
- § 3: „Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.“
Der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Tagen bezieht sich auf die auf sechs Tage verteilte Arbeitszeit. Wer an mehr oder weniger als an sechs Tagen in der Woche arbeitet, hat entsprechend mehr oder weniger Urlaubsanspruch. Sonntage werden urlaubsrechtlich wie Werktage berücksichtigt, wenn an diesen Tagen Arbeitspflicht besteht. (BAG 15.11.2005 9 AZR 626/4) - § 4: „Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.“
- § 12 regelt die Berechnung des Urlaubsentgelts, das von der vom jeweiligen Beschäftigungsumfang und Jahres- oder Tagesverdienst abhängig ist.
Anspruch auf Maßnahmen des Arbeitsschutzes (§ 2 ArbSchG)
„(1) Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit.
(2) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind […] 3. arbeitnehmerähnliche Personen […].“
Schutz vor Benachteiligung (§ 6 Abs.1 S.1 Nr.3 AGG)
- § 1: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (§ 1)
- § 2: „Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf: (§ 2)
- die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
- die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg“
Anspruch auf Mutterschutz (§ 9 MuSchG)
§ 9 Abs. 1: „Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres Kindes zu treffen.“
Anspruch auf Pflegezeit und Familienpflegezeit (§ 7 PflegeZG)
§ 2 Abs. 1: „Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.“
Anspruch auf Einhaltung von Kündigungsfristen (§ 621 BGB)
Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung nach bestimmten Fristen zulässig, die sich nach der Art der Vergütung richten.
Anspruch auf Zeugniserteilung (§ 630 BGB)
„Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teil ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienst zu erstrecken. Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“
Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bei Rechtsstreitigkeiten (§ 5 Abs. 1 ArbGG)
Anspruch auf Bildungsurlaub (entsprechend der Landesgesetzgebung)
Der Anspruch auf Bildungsurlaub wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In manchen Ländern haben auch arbeitnehmerähnlich Beschäftigte das Recht, für Weiterbildung von der Arbeit freigestellt zu werden. Nur in Bayern und Sachsen gibt es keine gesetzliche Regelung. Der Auftraggeber kann nur aus wichtigem Grund den Antrag auf Bildungsurlaub ablehnen. Für die Zeit des Bildungsurlaubs muss der Auftraggeber ein Entgelt zahlen, das meist analog zum Urlaubsentgelt berechnet wird.
Aber:
- Arbeitnehmerähnliche haben keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
- Arbeitnehmerähnliche fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz. Für Dienst und Werkverträge gelten die Kündigungsfristen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Allerdings können für arbeitnehmerähnliche Personen nach dem § 12a TVG Tarifverträge abgeschlossen werden, in denen besondere Fristen für die Beendigung vereinbart werden können. Dazu mehr unter: Wo wird der § 12a TVG hauptsächlich angewendet?
Wie können Arbeitnehmerähnliche ihre Ansprüche durchsetzen?
Wie mache ich meinen Anspruch geltend?
Der erste Schritt ist, bei dem Hauptauftraggeber Urlaub zu beantragen. Die VHS-Bremen hat dazu ein Musterschreiben aufgesetzt, dass ihr für euch anpassen könnt:
Antrag auf Urlaub und Urlaubsvergütung nach § 12a
Tarifvertragsgesetz und § 2 Bundesurlaubsgesetz
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich Urlaubsvergütung für den Urlaub des Jahres 2018.
Ich bin seit längerem als selbstständige Lehrkraft in der Bremer VHS regelmäßig tätig. Im Jahr 2018 erziele ich mein Erwerbseinkommen mehrheitlich zu über 50 Prozent durch meine Tätigkeit als Lehrkraft an der Bremer VHS. Entsprechende Steuerbescheide können auf Anforderung nachgereicht werden.
Nach § 12a Tarifvertragsgesetz gelte ich somit als arbeitnehmerähnlich. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf bezahlten Urlaub gemäß § 2 Bundesurlaubsgesetz.
Ich bitte Sie, mir meinen Urlaubsanspruch und das Urlaubsentgelt auf Grundlage der Rechtsprechung nachvollziehbar zu berechnen und auszuzahlen.
Nun kann es aber passieren, dass der Auftraggeber diesen Antrag ablehnt. Im Streitfall könnt ihr das Arbeitsgericht anrufen. Es gibt auch die Möglichkeit, den Status über die Clearingstelle nach § 7a SGB IV klären zu lassen. Aber Solo-Selbstständige wissen auch: Wer unbequem ist, gar Ansprüche stellt und auch noch das Arbeitsgericht einschaltet, wird möglicherweise nicht mehr beauftragt. An dem Punkt zwischen Anspruch und Wirklichkeit endet es dann für einige bitter. Das muss nicht sein, wenn, wie im Falle von Volkshoch- oder Musikschulen, mehrere Personen dasselbe Problem haben.
„Du erlebst dich ja so unglaublich vereinzelt. Erst einmal kollektives Bewusstsein herzustellen, sodass man trotzdem was gemeinsam machen kann, das ist extrem wichtig. Das war auch bei uns damals an der Musikschule der Knackpunkt. Als wir das geknackt hatten und begriffen haben, was die Kraft der Solidarität wirklich ausrichten kann, dann ging es nach vorne und nach oben“, sagt Eva-Maria Zimmermann. Sie hat vor einigen Jahren noch als Freie an der Kölner Musikschule gearbeitet. Heute leitet sie die Geschäftsstelle der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Köln.
Denn die Chance ist weitaus größer, gemeinsam die Ansprüche durchzusetzen: „Generell wussten wir überhaupt nicht groß um unsere Rechte. Wir hatten uns damals bei der GEW informiert. Die haben uns von Arbeitnehmerähnlichkeit und Urlaubsgeld erzählt. Es ist quasi über die Gewerkschaften gekommen, über den Kontakt mit GEW und ver.di, dass wir davon gehört und gesagt haben, das ist doch was, was wir mal prüfen müssten.“
Mut machte den Musikschullehrer*innen damals die Initiative der Kölner VHS-Lehrkräfte, die schon einige Zeit zuvor alle zum gleichen Zeitpunkt ihren Urlaub und Urlaubsgeld beantragt hatten. „Damit haben sie auch einen ersten richtigen Erfolg gehabt“, erinnert sich Eva-Maria Zimmermann. „Das hat natürlich schon ausgestrahlt, wenn so ein kleiner Teilerfolg da ist, dass Leute ihre Rechte sehen, begreifen, wahrnehmen und das auch noch durchsetzen können.“
Die Musikschullehrer*innen haben sich dann ebenfalls auf diese gemeinsame Vorgehensweise verabredet, wussten aber: „Wenn es denn festgestellt wird, dass man arbeitnehmerähnlich ist, ob nicht dann, wenn man immer so kurzfristig kurzzeitig laufende Verträge hat, einfach die Stundenzahl gekürzt wird, damit man im nächsten Jahr dann eben nicht mehr arbeitnehmerähnlich ist. Das war damals unsere große Sorge. Aber dadurch, dass wir das kollektiv gemacht haben, ist das auch nicht passiert.“
Dieses gemeinsame Vorgehen oder kollektive Handeln von Arbeitnehmerähnlichen wird von § 12a TVG gestützt: Gewerkschaften können für arbeitnehmerähnliche Personen Tarifverträge abschließen. Auch die Musiklehrkräfte an der Kölner Musikschule haben inzwischen entsprechende Tarifverträge. Aber längst fallen nicht alle freien Dozent*innen darunter. Denn wer nur eine geringe Stundezahl erreicht, bleibt außen vor.
Wo findet der § 12a TVG hauptsächlich Anwendung?
Geschichte des § 12a TVG
1926
Gesetzlich wurden die arbeitnehmerähnlichen Personen das erste Mal 1926 im Arbeitsgesetz aufgegriffen, schreibt Karen Kelat 2017 in einem Fachartikel Die arbeitnehmerähnliche Person – Begriff und rechtliche Stellung im Arbeitsrecht im Rahmen ihres Studiums der Rechtswissenschaften.
1949
1949 gründete sich der Deutsche Journalistenverband (DJV) und 1951 die Fachgruppe Journalisten, die sich ab 1960 Deutsche Journalisten-Union (dju) nennt und stärker gewerkschaftlich orientiert war.
1950
1950 gründete sich die Gruppe Funk in der Gewerkschaft Kunst unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und 1952 die Rundfunkunion als Vertretung der im Rundfunk Beschäftigten. Diese räumte 1960 den freien Mitarbeiter*innen auf ihrem 4. Delegiertentag das Recht auf volle Mitgliedschaft ein. 1968 fusioniert sie mit der Deutschen Union der Filmschaffenden (DUF) zur Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU). Damit waren freie Mitarbeitende zum Thema der Gewerkschaften geworden.
1974
Mit der Einführung des § 12a TVG war der Weg frei, für wirtschaftlich abhängige und sozial schutzbedürftige, eben arbeitnehmerähnliche Personen kollektive Vereinbarungen zu treffen. „Die wichtigste Änderung (des Tarifvertragsgesetz) war die Einführung des § 12a im Jahre 1974, durch den Tarifverträge auch auf arbeitnehmerähnliche Personen erstreckt werden konnten, was besonders im Bereich der Medien praktische Bedeutung erlangte“, schreibt Ulrich Zachert 2009 anlässlich 60 Jahre Tarifvertragsgesetz.
Mit anderen Worten: § 12a TVG wurde für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeführt, so Volker Rieble, Professor für Arbeitsrecht an der Ludwigs-Maximilians-Universität München.
Der Gesetzgeber hat damals auf die gewerkschaftlichen Organisationsformen der Journalist*innen, Schriftsteller*innen, Kultur- und Medienschaffenden reagiert.
1974
1974 trat der Verband deutscher Schriftsteller (VS) der damaligen Industriegewerkschaft Druck und Papier (IG Druck und Papier) bei. Somit vertrat die Gewerkschaft nicht mehr nur abhängig Beschäftigte, sondern „alle in den Wirtschaftszweigen Druck und Papier Beschäftigten, hauptberuflich publizistisch Tätige, haupt- oder nebenberuflich tätige Autoren.“
1976
„Ab 1976 werden Tarifverträge in zahlreichen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten durchgesetzt – nicht zuletzt durch den Druck auf die Anstalten durch eine wahre Festanstellungsklagewelle der RFFU“, schreibt Veronika Mirschel in dem Artikel Hybride Erwerbsformen 2018.
1977
1977 heißt es in einem Beitrag zu einem kulturpolitischen Programm der DGB-Gewerkschaften: Nicht angestellte Mitarbeitende „sind in alle Mitbestimmungs- und Mitwirkungsregelungen einzubeziehen. Ihre wirtschaftliche und soziale Sicherung ist durch Tarifverträge zu gewährleisten.“
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und der § 12a TVG
Am 9. Juni 1978 tritt der „Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im Deutschlandfunk“ in Kraft. Zusätzlich regelt der „Urlaubstarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im Deutschlandfunk“ welche wirtschaftlich abhängigen und sozial schutzbedürftigen Personen beim Deutschlandfunk unter diesen Paragrafen fallen können: Sie müssen 42 Beschäftigungstage in den vorangegangenen sechs Monaten nachweisen. Dann haben sie Anspruch auf 31 Urlaubstage. Doch für manche, gerade Autor*innen, ist das eine kaum zu überwindende Hürde. Gleichzeitig gilt die Regelungen aus dem § 12a TVG: Ein Drittel des Einkommens muss durch Honorare vom Deutschlandfunk (Dlf) erwirtschaftet werden.
Außerdem haben nur diejenigen Anspruch auf Urlaub, die allein beim Dlf als arbeitnehmerähnlich gelten. Tätigkeiten bei anderen ARD-Anstalten zählen hier nicht dazu. Dieser Punkt ist seit Langem strittig zwischen dem Dlf und den Gewerkschaften. Denn im § 12a Abs. 2 TVG heißt es eindeutig: „(2) Mehrere Personen, für die arbeitnehmerähnliche Personen tätig sind, gelten als eine Person, wenn diese mehreren Personen nach der Art eines Konzerns (§ 18 des Aktiengesetzes) zusammengefaßt sind oder zu einer zwischen ihnen bestehenden Organisationsgemeinschaft oder nicht nur vorübergehenden Arbeitsgemeinschaft gehören.“ Nichts anderes heißt aber ARD: Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland.
Wie schwer es ist, arbeitnehmerähnlich zu werden
Doch der Dlf ist nicht die einzige öffentlich-rechtliche Anstalt, die es freien Mitarbeitenden schwer macht, unter die Tarifverträge für Arbeitnehmerähnliche zu fallen. Die meisten Anstalten kennen eine Prognoseregelung. Diese legt fest, dass Mitarbeitende über eine bestimmte Tagesgrenze im Monat oder im Jahr hinaus nicht arbeiten dürfen. So wollen sich die Anstalten davor schützen, dass sich freie Mitarbeitende auf Festanstellung einklagen könnten und begründen das mit dem Abwechslungsbedürfnis im Rundfunk – auch Rundfunkfreiheit genannt.
So gibt es beispielsweise beim Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) eine 5-Tage-Prognose pro Monat. Auch beim rbb gilt für den Urlaubsanspruch und damit die Arbeitnehmerähnlichkeit: 42 Beschäftigungstage in den letzten sechs Monaten. Wer auf Grundlage einer 5-Tage-Prognose arbeitet, schafft es überhaupt nicht, unter den Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen zu fallen, sagt Christoph Reinhard von der Freienvertretung des rbb.
Diese Prognose gilt für nichtprogrammgestaltende Mitarbeitende, also all diejenigen, die im technischen Bereich oder in der Produktion tätig sind wie Cutter, Sprecher*innen oder Tontechniker*innen. Wer in den Redaktionen für Inhalte zuständig ist oder als Moderator*in arbeitet, gehört zur Gruppe der programmgestaltenden Mitarbeitenden und hat beim rbb eine 120-Tage-Prognose im Jahr. Ihnen gelingt es relativ leicht, unter den Tarifvertrag zu fallen.
Ähnlich ist das auch beim Mitteldeutschen Rundfunk (mdr), hier beträgt die Grenze zur Arbeitnehmerähnlichkeit 72 Tage im Jahr und ist für progammgestaltende Mitarbeitende relativ leicht zu überschreiten. „Nicht programmgestaltende Freie hingegen werden nur (noch) in Ausnahmen in die Arbeitnehmerähnlichkeit aufgenommen“, sagt Rüdiger Tjorok, Freienvertreter beim mdr.
Beim Bayerischen Rundfunk (BR) „ist die Schwelle am niedrigsten in der ARD. Jedenfalls liegt sie bei knapp 5000 Euro fürs halbe Jahr. Sobald man mehr verdient, ist man anspruchsberechtigt auf 12a-Tarifleistungen“, sagt Katharina Wesely, Freienvertreterin beim BR.
Beim Südwestrundfunk (SWR) wird die Zahl der Arbeitnehmerähnlichen streng kontrolliert. Ein internes Monitoring-System achtet beim SWR darauf, dass Freie eine bestimmte Verdienst- und Tagesgrenze nicht überschreiten, um nicht in den Genuss der Tarifverträge für Arbeitnehmerähnliche zu kommen, erklärt Stefan Tiyavorabun, ver.di-Vertrauensperson im SWR und zugleich Personalrat im SWR. Auch beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) gibt es so eine Haltelinie. Gerade im Bereich der Produktion oder Randbereiche der Redaktion gbt es freie Mitarbeitende, die keinen Rahmenvertrag bekommen, sagt Björn Siebke, Gewerkschaftssekretär bei ver.di Hamburg und selbst freier Mitarbeiter beim NDR. Diese Rahmenverträge regeln den Umfang der Beschäftigung und werden meist für redaktionelle Mitarbeitende abgeschlossen. „Da ist im Prinzip schon von vornherein in vielen Fällen eine Form der Arbeitnehmerähnlichkeit mit verbunden“, erklärt Björn Siebke.
Tarifliche Leistungen für Arbeitnehmerähnliche
An den Status der Arbeitnehmerähnlichkeit beim Dlf – auch bei den anderen Öffentlich-Rechtlichen – knüpfen verschiedene tarifliche Vereinbarungen und Leistungen an, die die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren verhandeln konnten wie Zuschuss zum Kranken- und Mutterschaftsgeld oder Schutzrechte bei Beendigung oder Einschränkung – der sogenannte Bestandsschutz.
Das ist insofern wichtig, da für arbeitnehmerähnliche Personen kein Kündigungsschutz gilt. So ist im Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen beim Dlf geregelt, dass nach zwei Beschäftigungsjahren eine Mitteilungsfrist von zwei Monaten eingehalten werden muss, wenn die Beschäftigung beendet werden soll. Je länger die Beschäftigungszeit, desto länger auch die Mitteilungsfrist. Außerdem soll die betroffene Person angehört und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten geprüft werden.
Eine wichtige Regelung des Bestandsschutzes beim Dlf ist: Nach 15 Jahren durchgehender Beschäftigung als Arbeitnehmerähnliche kann die Beschäftigung nur aus wichtigem Grund beendet werden. Wer die 50 überschritten hat, erreicht diesen Bestandsschutz bereits mit einer Beschäftigungsdauer von zehn Jahren.
Nach jahrelangen Tarifverhandlungen konnten die Gewerkschaften 2019 für die arbeitnehmerähnlichen Personen beim SWR eine umfangreiche Absicherung erringen, so Stefan Tiyavorabun. Nichtprogrammgestaltende Mitarbeitende sind nach zwei und programmgestaltende nach sechs Jahren vor einer Beendigung geschützt, verbunden mit einer vollständigen Absicherung ihrer Honorareinkommen. Plus der anderen sozialen Leistungen wie Urlaub, Krankheit oder Rente sind sie weitgehend mit Angestellten gleichgestellt.
Diesen Bestandsschutz gibt es beim rbb zum Beispiel nur für nichtprogrammgestaltende Mitarbeitende, sagt Christoph Reinhard. Den hat die Gewerkschaft 2017 erkämpft. Für rund 500 Arbeitnehmerähnliche gibt es eine Art Beschäftigungsgarantie und einen Beendigungsschutz. „Wir haben jetzt einen gewissen Verhandlungsstand beim Bestandsschutz für alle. Das ist ein umstrittener Punkt. Die Festen haben nach 15 Jahren, wenn sie unter den Manteltarifvertrag fallen, auch diese Klausel drin, dass sie nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Das wollen wir auch für Freie gerne haben.“
Beim BR hingegen sind Arbeitnehmerähnliche nach 20 Jahren durchgehender Beschäftigung nur noch aus wichtigem Grund kündbar oder man hat die 55 überschritten, dann darf der BR auch nur aus wichtigem Grund beenden. Anders gesagt: Berufseinsteiger*innen müssen richtig lange ackern, um in diesen Bestandsschutz zu kommen. Und dürfen zwischendrin auch nicht aus der Arbeitnehmerähnlichkeit herausfallen.
Das kann aber leicht passieren, wenn die Redaktionen vielleicht nicht mehr so viel beauftragen oder Dienste wegfallen, weil Sendungen gestrichen werden. In solchen Fällen gibt es zum Beispiel beim Deutschlandfunk den Anspruch auf Ausgleichszahlung. Wer aber aufgrund familiärer Umstände oder mehr Sorgearbeit weniger arbeitet, könnte aus den tariflichen Schutzleistungen herausfallen. Und tatsächlich müssen meist Frauen, nachdem sie in Elternzeit waren, ihren Status als Arbeitnehmerähnliche neu aufbauen. „Beim Thema Schwangerschaft und Elternschaft müssten dringend noch Dinge geändert werden. Da bekomme ich auch von Mitgliedern Hinweise, dass gerade Beschäftigte, die aus der Elternzeit zum NDR zurückkommen, dann bei bestimmten Punkten bei null anfangen müssen. Das darf natürlich nicht sein. Es gab noch gar keine Elternzeit, als dieser Tarifvertrag geschlossen wurde, und das müsste dringend angepasst werden“, sagt, Björn Siebke.
Bei jeder ARD-Anstalt gibt es unterschiedliche Sondertarifverträge für Arbeitnehmerähnliche, die sich teilweise stark unterscheiden oder nur für eine Anstalt gelten wie drei tarifliche Zulagen im Jahr beim BR im Sinne von Urlaubsgeld, während es beim Radio Bremen eine Abfindung bei Beendigung gibt oder eine Familiensonderzahlung beim rbb, die es in den anderen Anstalten nicht gibt. Nicht nachvollziehbar ist die unterschiedliche Regelung beim Krankengeldzuschlag, den es beim Dlf beispielsweise ab dem ersten Krankheitstag gibt, bei manchen, wie beim NDR, erst ab dem vierten: „Bisher ist es so, dass Arbeitnehmerähnliche im NDR drei Tage quasi auf eigene Rechnung krank sind und erst ab dem vierten Tag Geld bekommen vom NDR. Das halte ich vor dem Hintergrund von Corona mindestens für skandalös, weil hier ja nun ganz klarer Anreiz besteht, krank zur Arbeit zu kommen. Das ist vollkommen aus der Zeit gefallen,“ sagt Björn Siebke.
Das macht deutlich, wie wichtig hier die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen ist, um Verbesserungen für die Arbeitnehmerähnlichen zu erreichen.
Welche Perspektiven ergeben sich aus dem § 12a TVG?
„Die Arbeitnehmerähnlichen in den öffentlich-Rechtlichen sind gut organisiert und einigermaßen verhandlungsstark, anders als in anderen Branchen. Die kennen sich gut und haben viel Kontakt mit festangestellten Mitarbeitern. Weshalb sie dort das höhere Druckpotential haben als andere arbeitnehmerähnliche Selbstständige“, sagt Frank Bayreuther.
Diese Durchsetzungskraft fehlt beispielsweise bei den Volkshoch- und Musikschulen. „Da sind auch Dinge, die Beschäftigung prekär machen wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder was passiert mit Frauen, die wegen einer Schwangerschaft raus sind und zurückkommen wollen, für die gibt es keine Weiterbeschäftigungsgarantie. Da sind so viele Fragen. Natürlich haben wir das auf dem Schirm, aber das sind dicke Bretter, die man da bohren muss“, sagt Eva-Maria Zimmermann, GEW-Gewerkschaftssekretärin in Köln.
Frank Bayreuther hat für seine Stellungnahme vor allem die Situation der Crowdworker in der Plattformökonomie betrachtet. „Die meisten, die ich kenne, sind nur für einen Auftraggeber tätig. Zum Beispiel der Kurierfahrer, der bei Hermes Selbstständiger ist und an der Grenze zum Arbeitnehmer, der würde mühelos unter den 12a fallen. Ich sehe den Bauhandwerker, der als Ein-Mann-Unternehmer auf die Baustelle kommt. Pflegekräfte, Musikschullehrer, VHS-Dozenten. Ich glaube, dass hier der 12a schon ausreichen würde. Wo er an seine Grenzen stößt, ist im Bereich der modernen digitalen Branchen, der Crowdworker, die mal hier und morgen da arbeiten, das können sie aber nicht erfassen.“
Was bringt der § 12a TVG?
„§ 12a TVG kann konkret nur dort Schutz entfalten, wo es zum Abschluss von Tarifverträgen kommt. Die Wirkung der Norm wird durch dieses Erfordernis dadurch von vorneherein beschränkt,“ schreibt Karen Kelat im Fazit ihres Beitrags Die Arbeitnehmerähnliche Person – Begriff und rechtliche Stellung im Arbeitsrecht.
Frank Bayreuther hält den fehlenden Kündigungsschutz für die entscheidende Frage: „Als Arbeitnehmerähnliche stehen sie da mit vollkommen leeren Händen da.“
Insofern ist der Gesetzgeber gefragt. Frank Bayreuther sieht auch eine Handlungsmöglichkeit in Bezug auf eine gesetzlich festgelegte Mindestvergütung für Selbständige. „Derartige Regelungen würden in die Vertrags- und Berufsfreiheit sowohl des Auftraggebers, als auch des Auftragnehmers eingreifen. Dieser Eingriff wäre indes gerechtfertigt. Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) berechtigt und verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz gegen vertragliche Beschränkungen zu schaffen, die sich in einer Vertragsbeziehung daraus ergeben, dass es zwischen den Parteien an einem Kräftegleichgewicht fehlt. Das BVerfG hat mehrfach entschieden, dass diese Grundsätze auch mit Blick auf eine angemessene Entlohnung von selbständigen Leistungserbringern greifen.“
Es zeigt sich, dass es für viele Solo-Selbstständige schwierig ist, unter den Begriff „arbeitnehmerähnlich“ zu fallen. Aber, selbst wenn sie anerkannt diesen Status innehaben, können sie ihre Ansprüche und Leistungen nicht ohne Weiteres durchsetzen. Letztlich brauchen sie dafür eine starke Interessensvertretung.
Mitbestimmungsrechte als arbeitnehmerähnliche Personen
Nach verschiedenen Landespersonalvertretungsgesetzen stehen arbeitnehmerähnlichen Personen Mitbestimmungsrechte zu. So gibt es starke Mitbestimmungsrechte in Nordrhein-Westfalen, Bremen, Rheinland-Pfalz und seit 2014 in Baden-Württemberg. Dort sind beispielsweise Arbeitnehmerähnliche im Personalrat vertreten, so wie Stefan Tiyavorabun, der sogar stellvertretender Personalratsvorsitzender beim SWR in Stuttgart ist.
Für einige Öffentlich-Rechtliche, die in mehreren Bundesländern Funkhäuser betreiben wie NDR, Deutsche Welle und Deutschlandfunk, gilt das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), das bis Juni 2021 die Mitbestimmung von Arbeitnehmerähnlichen ausgeschlossen hatte. Lange hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di das kritisiert. Seit der Änderung des BPersVG im Juni 2021 haben arbeitnehmerähnliche Personen Mitbestimmungsrechte. Aber nach § 116 gibt es eine Einschränkung bei der Deutschen Welle: Arbeitnehmerähnliche, „die maßgeblich an der Programmgestaltung beteiligt sind“, werden von dem Gesetz und damit von der Mitbestimmung ausgeschlossen.
Auch das Deutschlandradio fällt unter das BPersVG. Noch vor der Gesetzesänderung wurde im 2020 geänderten Staatsvertrag festgeschrieben, dass es dort eine Freienvertretung geben soll: „Der Intendant schafft mit Zustimmung des Verwaltungsrates für die von der Körperschaft beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne von § 12a des Tarifvertragsgesetzes eine institutionalisierte Vertretung ihrer Interessen (Freienvertretung). Diese steht im regelmäßigen Austausch mit dem Intendanten.“ Seit Juni 2021 arbeitet diese institutionalisierte Freienvertretung und hat zunächst nicht rechtlich prüfen lassen, ob das BPersVG über dem Staatsvertrag steht und wer genau unter die Bezeichnung „maßgeblich an der Programmgestaltung beteiligt“ fällt.
Im Zuge der Änderung des BPersVG hat der Personalrat der Deutschen Welle ein Rechtsgutachten eingeholt und prüfen lassen, wer als arbeitnehmerähnlich bei der Deutschen Welle gilt. Das Ergebnis: Die wenigsten sind „maßgeblich an der Programmgestaltung beteiligt“, sagt Christian Hoppe, Personalrat bei der Deutschen Welle. Diese Prüfung hat auch dazu geführt, dass jetzt mehr freie Mitarbeitende als arbeitnehmerähnlich gelten. Die meisten haben bei der Personalratswahl im Juni 2022 zum ersten Mal ihr Wahlrecht ausgeübt und fallen unter die Mitbestimmung des Personalrats, die beinhaltet:
- Personalangelegenheiten (§ 78 BPerVG),
- soziale Angelegenheiten (§ 79 BPerVG) und
- organisatorische Angelegenheiten (§ 80 BPerVG).
Der Zuwachs an Wahlberechtigten hat auch dazu geführt, dass der Personal- und damit auch der Gesamtpersonalrat gewachsen ist. „Das ist schon eine große Veränderung“, sagt Christian Hoppe.
Zwischen dem Personalrat von Radio Bremen, SWR, Deutsche Welle und der Freienvertertung des Deutschlandradios liegen Welten. So erhält der Personalratsvorsitzende bei Radio Bremen, Gerrit Busch, selbst freier Mitarbeiter, monatlich eine Liste von der Personalabteilung geschickt, in der die Veränderungen in Prozent bei den Honoraren der freien Mitarbeitenden abzulesen sind. Gerrit Busch kann so schnell erkennen, wer mit erheblichen Einkommenseinbußen rechnen muss und das Gespräch mit den Betroffenen suchen, beraten und unterstützen.
Von dieser echten Mitbestimmung ist die Freienvertretung beim Deutschlandradio weit entfernt. Auch die anderen Freienvertretungen beim rbb, mdr und BR klagen, dass sie wenig Mitsprache und so gut wie keine Mitbestimmungsrechte haben. Dennoch nehmen sie engagiert ihr Mandat wahr und wachen über die Tarifverträge, informieren freie Mitarbeitende über ihre Rechte und beraten im Sinne der Tarifverträge.
Ähnlich stark vertreten wie bei Radio Bremen, SWR und Deutsche Welle sind die arbeitnehmerähnlichen bei WDR und ZDF. Der ver.di-Gewerkschaftssekretär für die Arbeitnehmerähnlichen beim NDR, Björn Siebke, berichtet, dass auf Druck des DGB der Staatsvertrag des NDR dahingehend geändert wurde – diese Anstalt betreibt in vier Bundesländern Funkhäuser – dass die Arbeitnehmerähnlichen aktives und passives Wahlrecht ausüben. „Das ist ein Riesenfortschritt, weil es bedeutet, dass sich jetzt Freie selber auch in den Personalräten einsetzen können für ihre Rechte. Die nächste Personalratswahl wird im kommenden Frühjahr (2023) sein. Da haben wir schon Hoffnung, dass sich dadurch für die Freien etwas verbessert“, sagt Björn Siebke.
Fazit: Arbeitnehmerähnlichkeit – eine gute Lösung?
Vor allem bietet die Arbeitnehmerähnlichkeit den Auftraggebenden die Möglichkeit, bei bestimmen Schutzleistungen einen schlanken Fuß zu machen. So müssen sie nicht mit in die Renten- und Sozialversicherungen beitragen und die Last bleibt allein auf Seiten der Arbeitnehmerähnlichen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es Vereinbarungen, dass diese mit in die sozialen Sicherungssysteme zahlen. Es gibt es die Möglichkeit freie Mitarbeitende tageweise bei den Sozialversicherungsträgern zu melden. Der Beitrag ist dann zwar für die freien Mitarbeitenden niedriger, als wenn sie als ständig beschäftigt oder gar dauerbeschäftigt gelten. Aber de facto zahlen sie so weniger in die sozialen Sicherungssysteme, sprich weniger Krankengeld und Rente. Am Ende: weniger Rente im Alter.
Der Bestandsschutz ist bei den meisten Sendern für die Arbeitnehmerähnlichen nicht optimal gelöst und kann leicht ausgehebelt werden. Bleibt nur der Trost: Besser als nichts. Denn für alle anderen Arbeitnehmerähnlichen gibt es überhaupt keinen Schutz vor Beendigung oder eine Absicherung.
„Freie Mitarbeitende, gerade bei den öffentlich-rechtlichen Sendern oder auch bei den Volkshoch- und Musikschulen, haben dieselben Aufgaben und erledigen dieselben Tätigkeiten wie die festangestellten Kolleg*innen. Von außen gibt es keinen Unterschied. Und es bleibt schwer nachvollziehbar, warum sie nicht dieselben gesetzlichen und sozialen Absicherungen haben sollten wie ihre festangestellten Kolleg*innen“, sagt Manfred Kloiber, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Medien, Journalismus und Film in ver.di.
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Aktuelle Beiträge zum Thema Kollektive Regelungen
Wissenschaftliche Beiträge
Bayreuther, Frank (2018): Sicherung der Leistungsbedingungen von (Solo-)Selbstständigen, Crowdworkern und anderen Plattformbeschäftigten. Gutachten. HSI-Schriftenreihe Bd. 26. Frankfurt am Main: Bund-Verlag.
Bayreuther, Frank (2019): Selbstständige im Tarif- und Koalitionsrecht. In: Soziales Recht. Wissenschaftliche Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht. Sonderausgabe, S. 4–11.
Langer, Jörg; Dienel, Elisabeth (2019): Beschäftigte zweiter Klasse? Gute Arbeit auch für Freie. Untersuchung zur sozialen und beruflichen Situation von freien Mitarbeiter*innen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Befragung im Auftrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin.
Wedde, Peter (2022): Reformbedarf kollektivrechtlicher Regelungsmöglichkeiten aus Sicht von Solo-Selbstständigen, Rechtsgutachten im Auftrag der INPUT Consulting gGmbH (Hrsg.), Projekt Haus der Selbstständigen.
Journalistische Beiträge
Hlava, Daniel; Klebe, Thomas (2021): Mindesthonorare für Soloselbstständige. Politische Gestaltungsansätze und rechtliche Rahmenbedingungen. FES impuls.
Podcasts
In dieser Episode des Podcasts HDS im Gespräch ist der ver.di Gewerkschaftssekretär André Pollmann zu Gast. Er berichtet, wie sich in Berlin selbstständige Lehrkräfte an Volkshochschulen und an anderen Institutionen gemeinsam mit den Festangestellten für gute Honorare und Arbeitsbedingungen stark machen.
M – Der Medienpodcast.
Nur Ehre und Ruhm? Warum öffentliche Museen viele Künstler nicht bezahlen. Gespräch mit Doris Granz (Sprecherin der Initiative Ausstellungsvergütung). Deutschlandfunk Kultur, Fazit, 06.07.2021.
Veranstaltungsdokumentation
Im Rahmen der digitalen Konferenz PAY THE ARTIST der Initiative Ausstellungsvergütung kamen Künstler*innen, Verbandsvertreter*innen und Politiker*innen über die Arbeits- und Erwerbsbedingungen in der Bildenden Kunst ins Gespräch. Im Fokus standen Möglichkeiten der fairen Vergütung von Bildenden Künstler*innen.
Videodokumentation der digitalen Konferenz PAY THE ARTIST der Initiative Ausstellungsvergütung, 11. Mai 2021.
Rückschau im Blog und Videomitschnitt, 28.03.2023
Gesetze
Grundgesetz (GG)
Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Tarifvertragsgesetz (TVG)
Heimarbeitsgesetz (HAG)
Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV)
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh)
Fest-Freie bei MCS Sachsen/MMG
Esslinger Zeitung: Freie streikten für Verbesserungen
Es war ein in dieser Form einmaliger Vorgang: 19 freie Journalist*innen der Esslinger Zeitung traten im Sommer 2018 zwei Wochen in den Ausstand, um nach Jahren der Stagnation bessere Honorare durchzusetzen – mit Erfolg! Diese Freien schrieben zu diesem Zeitpunkt etwa die Hälfte der Artikel für das Blatt. Allein dies war ein schlagkräftiges Argument, denn ohne sie konnte die Regionalzeitung ihre Seiten nicht füllen. Unterstützung bekamen sie von der Leserschaft, die sie durch öffentliche Aktionen auf ihre Situation aufmerksam gemacht hatten. In der Folge des Streiks wurden die Zeilenhonorare neu verhandelt und nach oben gesetzt. Richtwert waren die seit 1. März 2017 geltenden Vergütungsregeln, eine gesetzliche Regelung, die jenseits von Tarifverträgen von den Gewerkschaften ausgehandelt wurde. Diese Regelungen versprechen zwar keine Spitzenverdienste, sind aber für freie Journalist*innen vor allem im ländlichen Raum eine lang ersehnte Untergrenze. Die Ausstrahlung dieses Streikerfolgs reicht weiter über die regionalen Grenzen hinweg – freie Mitarbeiter*innen bei Tageszeitungen genießen seitdem deutlich mehr Respekt.
Berliner VHS-Dozent*innenvertretung
Die Berliner VHS-Dozent*innen-Vertretung ist eine selbstorganisierte Institution, die ehrenamtlich und mit gewerkschaftlicher Unterstützung arbeitet. Spätestens seit ihrem Erfolg, den sie nach jahrelangen Aktionen 2018 mit dem Abschluss von klaren Rahmenvereinbarungen feiern konnte, wird die Initiative als Gesprächspartnerin von der Politik und der Verwaltung akzeptiert. Die Kernforderungen bleiben die bessere soziale Absicherung sowie höhere Honorare für VHS-Lehrkräfte – ganz gleich, ob fest angestellt oder selbstständig tätig. Für die arbeitnehmerähnlichen VHS-Dozent*innen bleibt ein Tarifvertrag das Ziel. Denn die Prekarität bleibt trotz regelmäßiger Honorarerhöhungen, Zuschlägen zu den Sozialversicherungen und Ausfallzahlungen im Krankheitsfall: Es gelten immer nur Kurzverträge, mit denen Betroffene jederzeit ohne Arbeit und
Einkommen dastehen können.
Freie im rbb (Radio Berlin-Brandenburg)
Gut organisiert sind die freien Mitarbeiter*innen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk für Berlin und Brandenburg (rbb): Sie fordern die Gleichstellung zu den Festangestellten beim Sender und Bestandsschutz – aber immer im solidarischen Miteinander. Unter dem Hashtag #wirsindnichtda streikten rund 360 Freie an den Ostertagen 2022 und gemeinsam mit den Festangestellten von 20. bis 24. September 2022. Ihre Kernforderungen: Schluss mit den Einsparungen und Kürzungen im Programm, Geld für guten Journalismus statt für teure Prestigebauten, Bestandsschutz für alle Freien, keine weitere Arbeitsverdichtung und natürlich gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit – egal ob fest oder frei. Unterstützt werden sie dabei von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Deutschen Journalistenverband (DJV).
DaF/DaZ Bündnis
Das DaF/DaZ-Bündnis ist ein bundesweiter Zusammenschluss vieler Initiativen, die sich für die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte einsetzen, die Deutsch als Fremdsprache bzw. Zweitsprache (insbesondere BAMF-finanzierte Sprach- und Integrationskurse für Migrant*innen und Geflüchtete) unterrichten. Federführend sind die Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). In ihrem „Hamburger Appell“ haben sie 2021 ihre Ziele wiederholt formuliert und fordern alle Lehrkräfte auf, sich dem Bündnis anzuschließen, sich gewerkschaftlich zu organisieren und den Appell zu unterzeichnen. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Zum 1. Januar 2023 wird der Mindestlohn in der Weiterbildung erneut kräftig angehoben. Auch für die Honorarkräfte ist der Mindestlohn entscheidend, weil er – wie 2020 vom Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen – in Honorar umgerechnet wird und als Orientierung für das BAMF-Mindesthonorar dient. Die aktuelle Forderung des Bündnisses sind 43 Euro Stundenhonorar.
Initiative PAY THE ARTIST
Bundesweit agierende Künstler*innenverbände und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst haben sich 2016 zur Initiative Ausstellungsvergütung unter dem Motto „Pay The Artist“ zusammengeschlossen. In ihrem Fokus steht die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstler*innen. Deshalb verleihen sie der Forderung nach einer angemessenen Vergütung künstlerischer Leistungen auf politischer Ebene gemeinsam Nachdruck. Konkret setzt sich die Initiative für eine verbindliche Festlegung von Ausstellungsvergütungen in Förderrichtlinien des Bundes, der Länder und Kommunen ein, fordert eine explizite Verankerung eines Anspruchs auf Ausstellungsvergütung im Urheberrechtsgesetz sowie die finanzielle Sicherstellung von Ausstellungsvergütungen in öffentlich geführten oder geförderten Kunstorten.
Anne Frank Zentrum Berlin
In den Jahren 2018 und 2019 erkämpften freie und feste Mitarbeiter*innen des Anne Frank Zentrums in Berlin gemeinsam bessere Arbeitsbedingungen: Mit der Unterstützung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schlossen sie mit ihrem Arbeitgeber einen Haustarifvertrag für die festen Mitarbeiter*innen und eine Rahmenvereinbarung für die freien Kolleg*innen ab, der u. a. deutlich höhere Honorare und Ausfallhonorare im Krankheitsfall enthält. Der Erfolg ist der Einigkeit der Aktiven zu verdanken, die klar formulierten: Politische Bildungsarbeit bedarf guter Arbeitsbedingungen und angemessener Entlohnung.
Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis?
Seit 2019 ist die Berliner Kampagne „Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis?“ gegen die vorherrschenden prekären Arbeitsbedingungen in der Bildungs- und Beratungsarbeit aktiv. Die Kolleg*innen fordern u. a. einen Branchentarifvertrag – und setzen sich gleichermaßen für feste und freie Mitarbeiter*innen an Berliner Bildungseinrichtungen ein. Für gute Löhne und Honorare, weiterhin verbesserte Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der Interessenvertretungen setzt sich die Initiative unermüdlich mit dem Berliner Senat auseinander, hat u.a. neun Forderungen gestellt, die sich u.a. gegen Sanktionen bei gewerkschaftlichen Aktivitäten oder die Abwälzung der Risiken von Bildungsträgern auf Beschäftigte wenden.