Konfliktklärung
Konflikte gehören zum Zusammenleben und zum Zusammenarbeiten. Gerade weil Konflikte eine alltägliche Form sozialer Beziehungen sind, lohnt es sich etwas genauer anzusehen, was in Konflikten passiert. Dieses Wissen kann helfen, ein Stück weit aus einer gerade akuten Situation herauszutreten, darauf zu schauen und den nächsten Schritt zu überlegen. Hier möchten wir euch informieren, welche Verfahren der Streitbeilegung es gibt und wo ihr Unterstützung findet.
Was sind Konflikte?
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn es gibt nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe von Antworten im Sinne verschiedener Definitionen und Überlegungen dazu, was einen Konflikt ausmacht und welche Arten von Konflikten zu unterscheiden sind. Mit Blick auf die Vielfalt und Komplexität möglicher Konflikte in unterschiedlichen Bereichen des Lebens überrascht dies natürlich nicht wirklich. An dieser Stelle findet sich daher keine einfache Begriffserklärung, allerdings auch keine umfassende Aufbereitung des wissenschaftlichen Forschungsstandes. Sondern wir versuchen im Folgenden ein grobes Verständnis dafür zu entwickeln, welche Aspekte in einem Konfliktgeschehen – mit besonderem Blick auf die potenziellen Konfliktparteien Solo-Selbstständige*r und Auftraggeber*in – von Bedeutung sein können.
Konflikte können sowohl im psychischen (in einer Person) als auch im sozialen Bereich (zwischen Personen, Gruppen oder Organisationen) auftreten. Typische innerpsychische Konflikte im Arbeitsleben sind zumeist Entscheidungsprobleme zwischen zwei Handlungsalternativen, die nicht gleichzeitig zu realisieren sind. Für Solo-Selbstständige könnte ein solches Entscheidungsproblem zum Bespiel in der Frage liegen, ob sie auf das Wochenende oder den Urlaub verzichten, um mehr Aufträge erledigen und Geld verdienen zu können oder die Zeit zur Erholung und für Vergnügung nutzen.
Die für unseren Kontext relevanteren Konflikte im sozialen Bereich können auf verschiedenen Ebenen stattfinden (Glasl 2020: 69ff.):
- Konflikte können zwischen zwei oder mehreren Personen, die direkt miteinander sprechen und handeln entstehen (Mikroebene). Dazu zählen Konflikte, die ein*e einzelne*r Solo-Selbstständige*r mit eine*r Auftraggeber*in hat. In einem Streit zwischen einzelne*r Auftraggeber*in und Solo-Selbstständige*r kann es etwa um die korrekte Ausführung eines spezifischen Auftrags, wie den Bau eines Möbelstücks oder die Höhe des Honorars für die Lieferung desselben gehen.
- Konflikte können auch zwischen Gruppen auftreten, die über Gruppenvertreter*innen kommunizieren (Mesoebene). Hierzu zählen etwa Konflikte, die die Vertretung der Solo-Selbstständigen bei einem großen Auftraggeber mit diesem austrägt. Die Freienvertretung kann mit dem öffentlich-rechtlichen Sender um eine Ausweitung des Bestandschutzes streiten oder die Dozent*innenvertretung mit der Volkshochschule um die Einführung eines Tarifvertrages.
- Schließlich gibt es Konflikte, die auch die öffentliche Verwaltung und politische Akteure wie Interessenvertretungen und Parteien einbezieht und deren Eingreifen verlangt (Makroebene). Ein Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen um faire Vergütungen/Mindesthonorare oder auch Fragen der sozialen Absicherung, die Interessenvertretungen Solo-Selbstständiger in deren Namen mit der Politik führen.
In diesem Wissensbaustein liegt der Fokus auf sozialen Konflikten zwischen zwei (oder mehr) Personen, insbesondere zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggeber*innen.
Wie sind Konflikte zu behandeln?
Versuche der Behandlung von Konflikten, also auf diese einzuwirken bzw. zu intervenieren, können sowohl präventiv als auch kurativ ansetzen (Glasl 2020: 20f.):
- Bei der präventiven Konfliktbehandlung soll das Entstehen des Konflikts schon im Vorfeld durch bestimmte Maßnahmen ausgeschlossen oder der Schaden, der durch einen Konflikt entstehen kann, begrenzt werden. Gut gestaltete Verträge zwischen Solo-Selbstständige*r und Auftraggeber*in aber auch kollektivrechtliche Regelungen wie Tarifverträge oder Honorarordnungen, die als Rahmen für einzelne Verträge wirken, erfüllen zum Beispiel eine solche Funktion.
- Die kurative Konfliktbehandlung setzt an, wenn der Streit bereits gegeben ist. Dabei gibt es keine Patentlösung für alle Fälle, sondern verschiedene Verfahren – das passende sollte stets in Abhängigkeit von der konkreten Situation gewählt werden. In der Übersicht sind die wichtigsten institutionalisierten Verfahren zur Beilegung von Konflikten, die zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggeber*innen auftreten können, zusammengestellt und erklärt.
Das passende Verfahren zur Behandlung eines Konflikts muss in Abhängigkeit von dem konkreten Fall und den Bedarfen der beteiligten Parteien ausgewählt werden. Ein wichtiger Hinweis ist die Eskalationsstufe: Das Verhandeln zwischen den Parteien funktioniert auf Stufe 1–3, etwa bei Konflikten rund um die Auftrags- und Preisgestaltung gut. Ist der Konflikt bereits auf Stufe 4–6 eskaliert, ist die Vermittlung erfolgsversprechend. In einer Mediation können beispielsweise Konflikte um die Rollen- und Aufgabenverteilung in einem Projekt gut gelöst werden. Auf Stufe 7–9 bedarf es der Entscheidung einer dritten Instanz, etwa wenn es um die Wirksamkeit von AGB geht oder das Eintreiben von Forderungen außergerichtlich nicht gelungen ist. Im Kontext Solo-Selbstständigkeit ist zudem zu prüfen, ob und inwiefern besondere Umstände (z.B. ein Machtungleichgewicht) zu berücksichtigen sind, die ein bestimmtes Verfahren empfehlen.
Entstehung von Konflikten
Voraussetzung für die Entstehung eines sozialen Konflikts ist das Erleben einer Unvereinbarkeit im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Wollen zumindest einer Partei (Glasl 2020: 17). Die konkreten Streitgegenstände können ganz unterschiedlich sein: etwa Uneinigkeit im Hinblick auf die Wahrnehmung und Bewertung einer Situation, verschiedene Meinungen bezüglich eines Sachproblems, unterschiedliche Überzeugungen und Werte, unvereinbare Ziele oder Vorstellungen über den Weg dahin. Beispielhaft wäre an Uneinigkeiten über die angemessene Vergütung eines Auftrags, dessen korrekte Ausführung, den Bedarf an dafür notwendigen Ressourcen usw. zu denken.
Dabei kommt es entscheidend auf die subjektive Sicht an, nicht darauf, ob objektiv ein Gegensatz besteht. Ein bloßes Nichtübereinstimmen oder Auseinanderfallen von Wahrnehmungen oder Überzeugungen ist jedoch (noch) kein Konflikt. Dieser entsteht, wenn die Unvereinbarkeit zumindest von einer Konfliktpartei als Spannung und Beeinträchtigung der eigenen Anliegen erlebt wird, wobei die Verantwortung dafür der anderen Partei zugeschrieben wird (Glasl 2020: 17, Reuter/Sukowski 2020: 359f.). In Konflikten kann es um ganz unterschiedliche Streitgegenstände gehen, die zudem von unterschiedlicher Reichweite sind: Die Bemühungen der Parteien im Konflikt können sich auf die Klärung einer Sachfrage richten (z.B. Möglichkeit für freie Dozent*innen der Sprachschule das Lehrer*innenzimmer zu nutzen), auf die Veränderung der Positionsverhältnisse (z.B. Gleichstellung von freien und festen Mitarbeiter*innen) oder sogar auf eine Veränderung des Gesamtsystems (z.B. bessere Arbeitsbedingungen für Solo-Selbstständige vergleichbar jenen von abhängig Beschäftigten).
Nicht selten spielen normative Überzeugungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung eines Konflikts: Zumindest eine Seite sieht die Ansprüche oder Handlungen der anderen nicht nur als von den eigenen abweichend, sondern als illegitim an – und erlebt diese als Verstoß gegen soziale Normen, zum Beispiel des Anstands/Respekts oder der Gerechtigkeit/Fairness (Montada/Kals 2013: 91, 101). Ein wichtiger Hinweis darauf ist das Gefühl der Empörung, dem der Vorwurf unrechten Handelns implizit ist (ebd.: 91). Unvereinbare Vorstellungen um die Höhe des Honorars für eine Leistung von Solo-Selbstständige*r und Auftraggeber*in haben häufig eine solche Dimension: So kann etwa die auftraggeber*innenseitige Vorstellung als Dumpingreis (Preis unter den Herstellungskosten) wahrgenommen werden. Theoretisch besteht hier die Option, dass das Geschäft nicht zu Stande kommt. Ist der*die Solo-Selbstständige jedoch praktisch darauf angewiesen, eher ein schlechtes als gar kein Honorar zu erhalten, wird er*sie den Auftrag annehmen – empfindet die Situation jedoch als ein Ausnutzen der Abhängigkeit und insofern als illegitim bzw. ungerecht. Dieses normative Erleben kann sicher ausgeblendet und der Auftrag erfüllt werden, ebenso sicher ist jedoch, dass hier ein beträchtliches Potenzial für einen Konflikt liegt (ebd.: 101).
Konflikte können sich mehr oder weniger formgebunden äußern, d.h. unter Einsatz von institutionalisierten Mitteln und Prozeduren (z.B. das Einbeziehen der Freienvertretung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Senders um einen Konflikt zu klären oder das Erwirken eines Mahnbescheids bei Zahlungsversäumnis) oder ohne Rückgriff auf diese, weil sie nicht geeignet erscheinen oder es keine gibt. Auch das soziale Klima eines Konflikts kann sehr unterschiedlich sein: Es wird zwischen heißen und kalten Konflikten unterschieden. Während die Aktivitäten in einem Fall direkt, klar erkennbar und teils heftig sind, gestalten sie sich im anderen Fall eher indirekt, sind kaum sichtbar und die mit dem Konflikt verbundenen Gefühle werden „heruntergeschluckt“, wirken aber fort.
Emotionen spielen eine wichtige Rolle im Konfliktprozess, im Verlauf dessen sich auch das Verhalten und damit die Beziehung der Konfliktbeteiligten verändert. Konflikte haben die Tendenz eine eigene Dynamik zu entwickeln – zu eskalieren.
Eskalationsdynamik von Konflikten
Es gibt verschiedene Modelle für die Eskalation von Konflikten, prominent ist das Stufenmodell von Friedrich Glasl (2020: 243ff., Reuter/Sukowski 2020: 425ff.), das drei Phasen mit insgesamt neun Eskalationsstufen unterscheidet.
1. Verhärtung: Anfängliche Spannungen verhärten zu festen Standpunkten. Die Kommunikation leidet, auch wenn sich die Parteien in kooperativer Absicht bemühen, das Problem in Gesprächen zu lösen. Sie sind befangen und angespannt, hören selektiv zu und teilen sich weniger vollständig mit.
2. Debatte und Polemik: Von der Frage, wer den besseren Standpunkt hat, geht es nun um die Frage, wer den eigenen Standpunkt besser vertritt. Die Parteien werden unnachgiebiger. Sie schwanken zwischen Kooperation und Konkurrenz, doch es geht weniger um das gemeinsame Interesse, das Problem zu lösen als darum, sich und die eigene Sichtweise gegen die andere Partei zu behaupten.
3. Taten statt Worte: Die Parteien versuchen nicht mehr die andere Seite zu überzeugen, sondern stellen diese vor vollendete Tatsachen. Die Parteien stehen in Konkurrenz, missverstehen und misstrauen einander, denken vermehrt in schwarz-weiß-Strukturen und festen Bahnen.
4. Sorge um Image und Koalitionen: Der Konflikt verlagert sich von der Sach- auf die Beziehungsebene und aus den Parteien werden Gegner. Negative Eindrücke verdichten sich nun zu einem stereotypen Feindbild, das abgewertet wird – das eigene Selbstbild wird hingegen überhöht. Das Verhalten ist offen konkurrierend, wobei beide bestrebt sind, ihr Gesicht (Image) zu wahren, denn sie suchen zugleich nach Verbündeten.
5. Gesichtsverlust: Aus dem stereotypen Feindbild wird nun ein grundlegend (bis in die Vergangenheit reichend) revidiertes Bild – galt der Gegner zuvor als inkompetent, erscheint er nun unmoralisch mit ausschließlich negativen Merkmalen. Die Parteien greifen einander öffentlich an, provozieren sich wechselseitig und fühlen sich vom je anderen gedemütigt. Der Konflikt dreht sich spätestens jetzt um Werte.
6. Drohstrategien und Erpressung: In den Auseinandersetzungen wird zunehmend Druck ausgeübt, es werden Ultimaten gesetzt, Forderungen und auch Drohungen ausgesprochen – v.a. verbale und strukturelle Gewalt angewendet, denn die andere Seite soll sich beugen. Eben dies tut sie jedoch nicht, sondern reagiert mit Gegengewalt. Hinter die Forderungen und Drohungen können die Parteien nicht mehr zurück, jeder neue Schlag ist radikaler als der letzte. Das Konfliktgeschehen gerät außer Kontrolle und wird irrationaler.
7. Begrenzte Vernichtungsschläge: Die Parteien erleben Ohnmacht mit Blick auf eine mögliche Lösung des Konflikts, reizen einander jedoch zugleich absichtlich. Der Fokus liegt nun darauf, erschütternde Schläge zu vollziehen, dem Gegner Schaden zuzufügen – jeder Verlust des anderen gilt als eigener Gewinn.
8. Zersplitterung und totale Zerstörung: Die Schläge werden radikaler und destruktiver – sie zielen darauf den Gegner zu vernichten.
9. Gemeinsam in den Abgrund: Jede Partei ist zum Äußersten bereit, wobei auch der eigene Sturz in den Abgrund in Kauf genommen wird, so lange der Gegner mitgerissen wird.
Für die Streitbeilegung kann es helfen, den akuten Konflikt anzusehen und zu überlegen, auf welcher Stufe dieser zu verorten wäre, um zu schauen, wie eine konstruktive Lösung angegangen werden kann. In der ersten Phase (Stufen 1-3) des Konflikts, kann es ohne die Unterstützung von außen für beide Parteien eine positive Konfliktlösung geben (win-win). In der zweiten Phase (Stufen 4-6) kann ohne das Einwirken von außen noch eine Partei ein positives Ergebnis für sich erwarten (win-lose). In der dritten Phase (Stufen 7-9) ist ohne die Hilfe von außen für keine Partei ein positiver Ausgang des Konflikts möglich (lose-lose) (Reuter/Sukowski 2020: 473).
Konflikte müssen allerdings keineswegs bis ins Extreme eskalieren. Je früher Unvereinbarkeiten kommuniziert werden, desto aussichtsreicher ist ein konstruktiver Umgang und eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung.
Quellen
Glasl, Friedrich (2020): Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führung, Beratung und Mediation. Bern; Stuttgart: Haupt Verlag; Verlag Freies Geistesleben.
Montada, Leo; Kals, Elisabeth (2013): Mediation. Psychologische Grundlagen und Perspektiven. Weinheim; Basel: Beltz.
Reuter, Ute; Sukowski, Nadine (2020): Personal, Team- und Konfliktmanagement. Theoretisches Wissen und praktische Anwendung. Stuttgart: W. Kohlhammer.
Zu den verschiedenen Verfahren finden sich Informationen im Gabler Wirtschaftslexikon und auf der Website von Dispute Resolution Hamburg. Des Weiteren hat die ZKM – Zeitschrift für Konfliktmanagement die sehr aufschlussreiche Aufsatzreihe ADR-Verfahren im Vergleich (11 Beiträge, 03/2012–04/2014) herausgebracht.
Für die freundliche Unterstützung bei der Aufbereitung des Themas für den HDS Wissenspool danken wir Dr. Felix Wendenburg und Elena Mika vom Institut für Konfliktmanagement der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).
Die Ombudsstelle Crowdwork ist die erste und einzige Stelle, die sich der Konfliktbearbeitung zwischen auf bestimmten Plattformen tätigen Solo-Selbstständigen und jenen Plattformen widmet. Heiner Heiland hat sich diese Stelle im Rahmen einer Fallstudie im Auftrag des HDS genauer angesehen. Im Interview beschreibt er diese einmalige Konstruktion. Die Ombudsstelle Crowdwork ist auch in unserem Netzwerklotse zu finden.
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Crowdwork: „Gekommen, um zu bleiben“
Bei Crowdwork handelt es sich um virtuelle Arbeit – von Kleinstaufgaben über […] mehr →
Es gibt verschiedene weitere Stellen, die bei der Klärung von Konflikten im Wirtschafts- und Arbeitsleben unterstützen. Bei Statusfragen (Statusfeststellung) hilft die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung. Die meisten Berufs- und Branchenverbände, Kammern und Gewerkschaften haben Angebote zur Rechtsberatung. Die Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern verfügen zudem über Stellen zur außergerichtlichen Streitbeilegung (z.B. Mediation, Schlichtung). Diese Angebote können von den jeweiligen Mitgliedern in Anspruch genommen werden. Es lohnt sich also zu schauen, welche Unterstützungsangebote im Bereich Konfliktklärung eure Verbände bereithalten.
Weiterbildungsreihe zur Stärkung der Konfliktkompetenz für Solo-Selbstständige
Konflikte sind privat wie beruflich meistens unangenehm und belastend. Der Wunsch nach Konfliktfreiheit ist verständlich, doch nicht realistisch. Denn Konflikte machen unterschiedliche Sichtweisen und Interessen deutlich, die geklärt oder ausgehandelt werden müssen. Auftragnehmer*innen und Auftraggeber*innen haben naturgemäß unterschiedliche Perspektiven, Vorstellungen und Interessen. Insofern ist nicht der Konflikt das Problem, sondern die Art und Weise, wie wir damit umgehen. Entscheidend ist, dass Auseinandersetzungen konstruktiv verlaufen und Differenzen möglichst frühzeitig angesprochen werden, denn viele Konflikte erweisen sich als Missverständnisse oder Fehlinterpretationen, die relativ leicht aus der Welt geschaffen werden können.
Für Solo-Selbständige haben Konflikte mit Kund*innen und Auftraggeber*innen häufig eine besondere Brisanz: Die Sorge vor dem Abbruch der Arbeitsbeziehung führt möglicherweise dazu, Unzufriedenheit oder Unklarheiten lange Zeit nicht anzusprechen oder das Entgegenkommen zu stark auszudehnen.
Es gibt nicht „die“ Lösung zum Umgang mit schwierigen Situationen und Konflikten. Jeder Konflikt muss individuell betrachtet werden. Grundlagenwissen über Entstehung, Ausprägung und Eskalation von Konflikten unterstützt im jeweiligen Konflikt, passende Handlungsstrategien zu entwickeln.
Im Herbst 2022 fand am Haus der Selbstständigen eine Weiterbildungsreihe zur Stärkung der Konfliktkompetenz für Solo-Selbstständige statt. Die Reihe startete mit einer Einstiegsveranstaltung zu grundlegenden Konfliktthemen. Im kleinen und geschützteren Rahmen darauf folgender thematischer Workshops war im Gespräch mit Kolleg*innen ein intensiverer Austausch und ein Transfer auf die individuelle Arbeitssituation möglich.
Im Verlauf der Reihe wurde mehrfach das Interesse geäußert, verpasste Termine/Themen nachzuholen. So ist die Idee der Video-Tutorials entstanden, die für einzelne Themen hier zur Verfügung stehen.
1. Konflikte zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggebenden
Zum Einstieg werden die Rahmenbedingungen der Entstehung von Konflikten betrachtet. Das Spannungsfeld Auftraggeber*in – Auftragnehmer*in wird ausgeleuchtet und typische Konflikte in ihrem Verhältnis thematisiert.
2. Eskalation von Konflikten
Konflikte sind sehr dynamisch und weiten sich im Verlauf aus. Das Modell von Friedrich Glasl beschreibt neun typische Stufen der Eskalation von Konflikten – von einem niedrigen Niveau immer weiter nach unten.
3. Eigenes Konfliktverhalten
Konflikte aktivieren Muster, die nicht immer bewusst sind. Oft sind auch die Wirkungen des eigenen Verhaltens nicht bewusst. Konstruktiver Umgang mit Konflikten bedeutet, aus reflexmäßigen Mustern auszusteigen und das eigene Handeln bewusst zu steuern.
4. Praxisbeispiel
An Hand des Beispiels werden die Hintergründe von und Emotionen in Konflikten thematisiert sowie verschiedene Reaktionsmöglichkeiten aufgezeigt.
Bislang sind nicht alle Themen der Workshops (u.a. zu Kommunikationsstrategien im Konflikt, zum Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen, zum Verhandeln und zur Differenz von Positionen und Interessen) als Videotutorials aufbereitet. Meldet euch bei Interesse an weiteren Tutorials gern.
Dorothea Faller
Lehrmediatorin BMWA®, Supervisorin und Coach DGSv,
Organisationsberaterin, Systemdesignerin,
Trainerin für Insights Discovery® Präferenzprofile
Trainerin für Mindfulness in Organisationen (MIO)
Gesellschafterin der Medius GmbH Greven
Vorstandsmitglied des BMWA® Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt
Digitales Lernmodul
Das Verhältnis zwischen Solo-Selbstständigen und Auftraggebenden ist häufig durch eine starke Machtasymmetrie gekennzeichnet, die auch auf (Vertrags-)Verhandlungen wirkt. Diese Machtverhältnisse können nur durch gemeinsames Handeln und starke kollektive Interessengemeinschaften verändert werden. Doch im Alltag stehen SoloS in Verhandlungssituationen zumeist tatsächlich „solo” ihren Auftraggebenden gegenüber. Das auf dem Harvard-Modell basierende digitale Qualifizierungstool zur Verhandlungsführung soll euch für diese Situationen eine Hilfestellung bieten. Das Modul unterstützt euch bei der Reflexion der eigenen Position und Handlungsspielräume und hilft sich mögliche Alternativen sowie die individuellen Fähigkeiten und Ressourcen bewusst zu machen. So könnt ihr gut vorbereitet und insofern auch gestärkt in die nächsten Verhandlungen gehen.
In der Informations-Broschüre der IHK Leipzig zu den alternativen Streitbeilegungsverfahren Mediation, Schlichtung und Schiedsgericht findet ihr auf den Seiten 12–23 auch Musterdokumente und mögliche Formulierungen zu Mediations- und Schlichtungsklauseln, -vereinbarungen und -verträgen.
Podcasts
Im Podcast HDS im Gespräch erklärt Elena Mika euch aus wissenschaftlicher Sicht und doch ganz praxisbezogen, wie Solo-Selbstständige konstruktiv mit Konflikten umgehen können. Konflikte, erklärt sie, sind keine Katastrophen, sondern ganz normale und alltägliche Vorgänge.
In diesem Podcast HDS im Gespräch erzählt Ivo Zibulla von den (Konflikt-)Erfahrungen, die er in seinem Arbeitsleben gemacht und was er daraus gelernt hat – eine Fundgrube wertvoller Tipps, die der „Gruppenmensch“ gern an solo-selbstständige Kolleg*innen weitergibt.
Wissenschaftliche Beiträge
Das von dem Psychologen und Mediator Marschall B. Rosenberg entwickelte Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) erläutert, wie jede*r Einzelne durch die Art und Weise, sich sprachlich auszudrücken ebenso wie zuzuhören, zu gelingender und wertschätzender Kommunikation beitragen kann. Diese Hinweise sind gerade mit Blick darauf, dass es oftmals schwierig ist, Spannungen und Konflikte lösungsorientiert anzusprechen, sehr hilfreich.
Journalistische Beiträge
In dem Interview erläutert Robert Fuß (IG Metall) die Ombudsstelle Crowdwork – eine Schlichtungsstelle für solo-selbstständige Plattformtätige. Mehr Informationen findet ihr auch hier.
Videos
Das Video erklärt kurz und bündig die Grundlagen der Mediation.
Es ist nicht leicht, Konflikte offen anzusprechen. Doch nur, wenn sie thematisiert werden, können sie auch bearbeitet werden. Im Video erfahrt ihr, wie ihr vorgehen könnt.
Gesetze
Das Mediationsgesetz regelt das Verfahren der Mediation und wer sich als zertifizierter Mediator*in bezeichnen darf.
Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz regelt die außergerichtliche Bearbeitung von Konflikten zwischen Verbraucher*innen und Unternehmer*innen, die im Hinblick auf Verbraucherverträge (Kauf-, Dienst- oder Werkverträge) entstehen können. Die Verbraucher*innen können sich zur Konfliktklärung an staatlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstellen wenden. Das Verfahren ist für Verbraucher*innen kostenfrei.
Die Zivilprozessordnung regelt eigentlich gerichtliche Verfahren für rechtliche Streitigkiten. Doch auch hier (§ 278 ZPO) gibt es für die Konfliktparteien die Möglichkeit mit der Unterstützung eines/einer Güterichter*in in einem freiwilligen Verfahren (z.B. Mediation) selbstständig eine gütliche Lösung zu finden. Das Gerichtsverfahren wird während der Güteverhandlung nicht betrieben und bei deren Erfolg beendet. Wird keine Einigung erzielt, wird das Gerichtsverfahren fortgesetzt.
Aktuelle Beiträge zum Thema Konfliktklärung
Ombudsstelle "Code of Conduct" für bezahltes Crowdworking
Die Ombudsstelle versteht sich als Vermittlerin zwischen Crowdworker*innen und Plattformen, die den „Code of Conduct“ für bezahltes Crowdworking unterschrieben haben. Der „Code of Conduct“ hat das Ziel, gute Standards für die Arbeitsbedingungen auf den Plattformen zu schaffen und beizubehalten. Crowdworker*innen, die sich auf einer Plattform ungerecht behandelt fühlen, können ein Online-Formular ausfüllen und ihr Problem ausführlich beschreiben. Die Ombudsstelle hat vielen Crowdworkern weltweit geholfen, eine faire Lösung im Konflikt mit der Plattform zu finden.
Verhandlung [Teilnahme freiwillig, eigenverantwortliche Entscheidung]
In der Verhandlung kommunizieren die Parteien über unterschiedliche Positionen* und/oder Interessen* direkt miteinander. Ziel ist es zu einer gütlichen Einigung zu gelangen, die für beide Seiten vorteilhaft ist.
Es besteht die Möglichkeit, dass eine Partei die Unterstützung durch ein Verhandlungscoaching in Anspruch nimmt. Das Coaching hilft bei der Vorbereitung (Strategieentwicklung) einer Verhandlung, um die eigenen Interessen möglichst gut durchsetzen zu können.
Die Parteien können auch gemeinsam eine dritte Instanz – eine*n Moderator*in – zur Unterstützung heranziehen. Durch eine professionelle Moderation kann die Verhandlung strukturiert und zielgerichtet nach Lösungsoptionen gesucht werden.
- pro:
- Konfliktparteien entwickeln die Konfliktlösung selbst, treffen Entscheidungen selbst
- sehr flexibel in der Verfahrensgestaltung, der Inhalte und der Auswahl der Beteiligten
- keine dritte Instanz erforderlich
- geringe Kosten
- häufig erfolgreich, v.a. bei nicht zu tiefgehenden Konflikten
- Verjährungsfristen werden durch die Aufnahme von Verhandlungen gehemmt
- contra:
- kann langwierig sein
- Gefahr der mangelnden Strukturierung des Gesprächs
- Gefahr der möglichen emotionalen Eskalation
- ungeeignet bei starken Machtungleichgewichten
*Positionen sind zielgerichtete Standpunkte, die einen gewissen Forderungscharakter haben. Eine Position eine*r Solo-Selbstständige*n könnte beispielsweise sein, dass er/sie ein höheres Honorar möchte oder auch, dass er*sie mehr Zeit zur Erledigung des Auftrags benötigt, weil sich die Terminvorgabe im Arbeitsprozess als zu kurz herausstellt.
*Interessen sind die zeitlichen, finanziellen/wirtschaftlichen, umstandsbezogenen oder persönlichen Gründe, die einer Position zu Grunde liegen (begründen, warum eine bestimmte Position vertreten wird). Mit der beispielhaften Forderung eines höheren Honorars können unterschiedliche Interessen verbunden sein: den gegenwärtigen Lebensunterhalt zu sichern oder Rücklagen für Auftragslosigkeit/Krankheit/Alter zu bilden oder Wertschätzung für die erbrachte Leistung auch in Geldwert zu erfahren.
Mediation [Teilnahme freiwillig, eigenverantwortliche Entscheidung]
In der Mediation werden die Parteien durch eine unabhängige dritte Instanz – den*die Mediator*in – in einem strukturierten Kommunikationsprozess bei der eigenverantwortlichen Konfliktbearbeitung unterstützt. Ziel ist es zu einer einvernehmlichen Vereinbarung (Konsens) zu gelangen. Die Parteien werden darin angeleitet, ausgehend von ihren unterschiedlichen Positionen*, das zu regelnde Thema festzulegen, ihre mit dem Thema verbundenen Interessen* zu identifizieren und schließlich interessenbasierte Lösungsoptionen zu entwickeln.
- pro:
- freie Wahl einer allparteilichen dritten Instanz
- win-win-Lösung wird angestrebt, nachhaltige Konfliktlösung, da konsensuale Vereinbarung eigenverantwortlich und interessenbezogen* entwickelt wird
- kann bei einer Vielzahl von Konflikten zum Einsatz kommen, auch nicht justiziable* Themen und Beziehungskonflikte können bearbeitet werden
- Mediator*in kann Machtungleichgewichte ausgleichen
- schnelle Konfliktbeilegung
- Vertraulichkeit kann vereinbart werden
- Verfahren wird durch Mediator*in strukturiert, Parteien konzentrieren sich auf den Inhalt
- flexibel in der Verfahrensgestaltung
- klare gesetzliche Grundlage (Mediationsgesetz (MediationsG))
- ggfls. weniger belastend als andere Verfahren, wenn Geschäftsbeziehung erhalten bleiben/wiederhergestellt werden soll
- andere Verfahren stehen bei erfolgloser Mediation weiter offen
- Verjährungsfristen werden durch die Mediation gehemmt
- contra:
- Gefahr des Missbrauchs zur Zeitverschleppung/Erlangung von Informationen
- Kosten für den*die Mediator*in, ggfls. Verfahrensgebühren bei der Mediationsstelle
- keine Entscheidung juristischer Fragen
*Positionen sind zielgerichtete Standpunkte, die einen gewissen Forderungscharakter haben. Eine Position eine*r Solo-Selbstständige*n könnte beispielsweise sein, dass er/sie ein höheres Honorar möchte oder auch, dass er*sie mehr Zeit zur Erledigung des Auftrags benötigt, weil sich die Terminvorgabe im Arbeitsprozess als zu kurz herausstellt.
*Interessen sind die zeitlichen, finanziellen/wirtschaftlichen, umstandsbezogenen oder persönlichen Gründe, die einer Position zu Grunde liegen (begründen, warum eine bestimmte Position vertreten wird). Mit der beispielhaften Forderung eines höheren Honorars können unterschiedliche Interessen verbunden sein: den gegenwärtigen Lebensunterhalt zu sichern oder Rücklagen für Auftragslosigkeit/Krankheit/Alter zu bilden oder Wertschätzung für die erbrachte Leistung auch in Geldwert zu erfahren.
*Justiziabel sind Konflikte, wenn von der Justiz – durch ein Gericht – geklärt werden kann, wer nach Recht und Gesetz welche Ansprüche gegen wen hat – der Streitgegenstand nach Maßgabe von Recht und Gesetz zu beurteilen und zu entscheiden ist. Dazu zählen beispielsweise Honorar- oder Schadensersatz- sowie Unterlassungsklagen.
Nicht in allen Streitigkeiten geht es jedoch „ums Recht“. Konflikte, die neben Sach- vor allem auch Wert- oder Beziehungsaspekte enthalten, sind *nicht justiziabel – sie können jedoch in außergerichtlichen Verfahren der Streitbeilegung gelöst werden. Dazu gehören zum Beispiel Konflikte darüber, wie ein Auftrag ausgeführt oder wie miteinander kommuniziert werden sollte.
Schlichtung [Teilnahme freiwillig, Entscheidung durch Dritten unverbindlich]
In der Schlichtung werden die Parteien durch eine unabhängige dritte Instanz – den*die Schlichter*in – in der Lösungsfindung unterstützt. Ziel ist es zunächst, dass die Parteien selbst zu einer einvernehmlichen Einigung gelangen. Der*die Schlichterin nimmt dabei mehr Einfluss auf die Verhandlung als in der Mediation und unterbreitet, können sich die Parteien nicht selbst einigen, einen Vorschlag zur Einigung (Kompromiss). Dieser Schlichtungsspruch kann auch über den Streitgegenstand hinausgehen und die Interessen* der Parteien berücksichtigen. Der Einigungsvorschlag ist nicht bindend und muss von den Parteien angenommen werden, um wirksam zu werden.
- pro:
- Beteiligung und freie Wahl einer neutralen dritten Instanz, so auch Berücksichtigung von ggfls. notwendiger Fachexpertise möglich
- Schlichter*in unterbreitet Vorschlag, wenn sich die Parteien nicht einigen, dies erhöht den Einigungsdruck der Parteien
- Vertraulichkeit kann vereinbart werden
- schnelles Verfahren zur Konfliktbeilegung
- flexibel in der Verfahrensgestaltung
- Nicht justiziable* Themen können bearbeitet werden
- Gerichtsweg steht bei erfolgloser Schlichtung weiter offen
- Verjährungsfristen werden durch die Schlichtung gehemmt
- contra:
- Verfahren ist nicht im selben Maße interessenorientiert wie die Mediation
- Kosten für den*der Schlichter*in, ggfls. Verfahrensgebühren bei der Schlichtungsstelle
- Nur für bestimmte Bereiche klare gesetzliche Regelung (zum Beispiel Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG), nicht aber im Kontext Solo-Selbstständigkeit)
- Komplexe Rechtsfragen können nicht mit Präzendenzwirkung geklärt werden
*Interessen sind die zeitlichen, finanziellen/wirtschaftlichen, umstandsbezogenen oder persönlichen Gründe, die einer Position zu Grunde liegen (begründen, warum eine bestimmte Position vertreten wird). Mit der beispielhaften Forderung eines höheren Honorars können unterschiedliche Interessen verbunden sein: den gegenwärtigen Lebensunterhalt zu sichern oder Rücklagen für Auftragslosigkeit/Krankheit/Alter zu bilden oder Wertschätzung für die erbrachte Leistung auch in Geldwert zu erfahren.
*Justiziabel sind Konflikte, wenn von der Justiz – durch ein Gericht – geklärt werden kann, wer nach Recht und Gesetz welche Ansprüche gegen wen hat – der Streitgegenstand nach Maßgabe von Recht und Gesetz zu beurteilen und zu entscheiden ist. Dazu zählen beispielsweise Honorar- oder Schadensersatz- sowie Unterlassungsklagen.
Nicht in allen Streitigkeiten geht es jedoch „ums Recht“. Konflikte, die neben Sach- vor allem auch Wert- oder Beziehungsaspekte enthalten, sind *nicht justiziabel – sie können jedoch in außergerichtlichen Verfahren der Streitbeilegung gelöst werden. Dazu gehören zum Beispiel Konflikte darüber, wie ein Auftrag ausgeführt oder wie miteinander kommuniziert werden sollte.
Schiedsverfahren [Teilnahme freiwillig, Entscheidung durch Dritten verbindlich]
Ein Schieds(gerichts)verfahren ist ein von den Parteien selbst bzw. von einer Schiedsinstitution organisiertes, privat vereinbartes Gerichtsverfahren. Die Entscheidung über den Streitgegenstand wird an eine neutrale dritte Instanz – den*die Schiedsrichter*innen (in der Regel 1 oder 3) – delegiert. Ziel ist es zu einer abschließenden, rechtlich verbindlichen und (international) vollstreckbaren Entscheidung zu gelangen. Dieser Schiedsspruch (auch Schiedsgerichtsurteil) erfolgt auf Grundlage von Recht und Gesetz und hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
- pro:
- Beteiligung und freie Wahl einer unabhängigen dritten Instanz, so auch Berücksichtigung von ggfls. notwendiger Fachexpertise möglich
- Vertraulichkeit kann vereinbart werden
- endgültiges Urteil, nur eine Instanz (lediglich schwerwiegende Verfahrensverstöße können von ordentlichen Gerichten überprüft werden)
- flexibel in der Verfahrensgestaltung
- geeignet für komplexe Streitigkeiten, die Fachkunde erfordern
- geeignet für internationale Konfliktparteien (da internationale Vollstreckbarkeit des Schiedsgerichtsurteils aufgrund der New York-Konvention einfacher als bei staatlichen Gerichtsurteilen)
- Verjährungsfristen werden durch das Schiedsverfahren gehemmt
- contra:
- ist in der Regel langwierig
- hohe Kosten (Schiedsrichter*in, Schiedsgericht, zumeist externe Anwält*innen)
- Beweisregeln des Schiedsgerichts sind im Einzelfall andere als in staatlichen Gerichtsverfahren, sie sind nicht immer klar und vorhersehbar, vor allem international/beschränkte Möglichkeiten der Beweiserhebung
- Mehrparteienstreitigkeiten schwierig zu führen (Dritte können nicht gegen ihren Willen in Verfahren einbezogen werden)
- einstweiliger Rechtsschutz (vorläufige Entscheidung in zeitkritischen Fragen) teilweise schwierig zu erlangen
- beschränkt auf justiziable* Themen, Entscheidung ist rechtsbasiert; nicht justiziable* Konflikte sind in Schiedsverfahren nicht lösbar
*Justiziabel sind Konflikte, wenn von der Justiz – durch ein Gericht – geklärt werden kann, wer nach Recht und Gesetz welche Ansprüche gegen wen hat – der Streitgegenstand nach Maßgabe von Recht und Gesetz zu beurteilen und zu entscheiden ist. Dazu zählen beispielsweise Honorar- oder Schadensersatz- sowie Unterlassungsklagen.
Nicht in allen Streitigkeiten geht es jedoch „ums Recht“. Konflikte, die neben Sach- vor allem auch Wert- oder Beziehungsaspekte enthalten, sind *nicht justiziabel – sie können jedoch in außergerichtlichen Verfahren der Streitbeilegung gelöst werden. Dazu gehören zum Beispiel Konflikte darüber, wie ein Auftrag ausgeführt oder wie miteinander kommuniziert werden sollte.
Gerichtsverfahren [Teilnahme unfreiwillig, Entscheidung durch Dritten verbindlich]
In einem staatlichen Gerichtsverfahren delegieren die Parteien, die sich ab einem Streitwert von 5.000 Euro zwingend anwaltlich vertreten lassen müssen, ihren Konflikt, indem sie eine dritte Instanz – den*die Richter*in – beauftragen, den Konfliktfall zu entscheiden. Ziel ist es zu einer rechtlich verbindlichen, vollstreckbaren Entscheidung – einem rechtskräftigen Urteil – zu gelangen. Die Entscheidung erfolgt auf Grundlage von Recht und Gesetz, das öffentliche und strukturierte Verfahren ist durch Prozessordnungen gesetzlich vorgeschrieben.
- pro:
- unabhängiges Staatsorgan
- verbindliche, vollstreckbare Entscheidung durch eine neutrale dritte Instanz
- sachliche Konfliktbearbeitung, niedriges Eskalationspotential auf der emotionalen Ebene
- Verfahren durch Prozessordnungen sehr strukturiert
- Ausschluss- und Verjährungsfristen werden durch Klageerhebung gehemmt
- contra:
- oftmals langwierig
- Ansprüche bedürfen einer Rechtsgrundlage und müssen in der Regel bewiesen werden
- beschränkt auf justiziable* Themen, außerrechtliche Gesichtspunkte und Interessen* werden nicht berücksichtigt, da Recht und Gesetz einziger Entscheidungsmaßstab sind – dadurch keine nachhaltige Lösung von Beziehungskonflikten
- kein Raum für individuelle Vereinbarungen oder Abkürzungen, da Verfahren durch Prozessordnungen zwingend vorgeschrieben, daher auch hoher Zeit- und Kostenaufwand
- Urteil beendet Rechtsstreit, entspricht jedoch zumeist einer win-lose Situation (Urteil kann von Verlierer*in als ungerecht empfunden werden)
*Interessen sind die zeitlichen, finanziellen/wirtschaftlichen, umstandsbezogenen oder persönlichen Gründe, die einer Position zu Grunde liegen (begründen, warum eine bestimmte Position vertreten wird). Mit der beispielhaften Forderung eines höheren Honorars können unterschiedliche Interessen verbunden sein: den gegenwärtigen Lebensunterhalt zu sichern oder Rücklagen für Auftragslosigkeit/Krankheit/Alter zu bilden oder Wertschätzung für die erbrachte Leistung auch in Geldwert zu erfahren.
*Justiziabel sind Konflikte, wenn von der Justiz – durch ein Gericht – geklärt werden kann, wer nach Recht und Gesetz welche Ansprüche gegen wen hat – der Streitgegenstand nach Maßgabe von Recht und Gesetz zu beurteilen und zu entscheiden ist. Dazu zählen beispielsweise Honorar- oder Schadensersatz- sowie Unterlassungsklagen.
Nicht in allen Streitigkeiten geht es jedoch „ums Recht“. Konflikte, die neben Sach- vor allem auch Wert- oder Beziehungsaspekte enthalten, sind *nicht justiziabel – sie können jedoch in außergerichtlichen Verfahren der Streitbeilegung gelöst werden. Dazu gehören zum Beispiel Konflikte darüber, wie ein Auftrag ausgeführt oder wie miteinander kommuniziert werden sollte.