Plattformarbeit
Plattformarbeit – ein Phänomen, das in unterschiedlichsten Ausprägungen daherkommt: als Cloudwork, Crowdwork, Gigwork, ortsunabhängige oder ortsabhängige Tätigkeit. Die selbstständig oder angestellt Arbeitenden werden in der Plattform-Wirtschaft je nach Branche bezeichnet als: Rider, Juicer, Ranger, Freelancer, Turker, Talents (oder gar Top Talents), Experts, Gig-, Cloud oder Crowdworker. Über Plattformen werden von den einfachsten bis zu hochqualitativen so gut wie alle Dienstleistungen angeboten vom Tiersitting über Alltagshilfen, Design- oder Textarbeiten, Datenrecherche, App-Tests, Personenbeförderung und Kurierfahrten bis zu IT-Programmierung.
„Plattformarbeit“ steht für Dienstleistungen, die über web-basierte Plattformen vermittelt oder erbracht werden. Diese Arbeit kann lokal (Gigwork) oder online (Cloudwork) verrichtet werden.
In diesem Baustein hörst, liest und siehst du, was Plattformarbeitende über ihre Arbeit(-svermittlungsform) denken, was in Wissenschaft, Politik und bei Interessenorganisationen über Plattformarbeit diskutiert wird. Du findest zahlreiche Beispiele, wie Plattformarbeit heute aufgestellt ist – und wie sie in den Arbeitsmarkt und unsere Gesellschaft eingeordnet werden kann. Und last but not least findest du Arbeitshilfen und Orientierung, wenn du selbst an plattformvermittelter Arbeit interessiert bist
Was ist Plattformarbeit?
Florian A. Schmidt definiert in einer Publikation „Arbeitsmärkte in der Plattformökonomie – Zur Funktionsweise und den Herausforderungen von Crowdwork und Gigwork“ der Friedrich-Ebert-Stiftung folgende Varianten und Kategorien von Dienstleistungs- bzw. Arbeitsplattform:
- Ortsunabhängige Dienstleistungen (Cloudwork)
- Freiberufler-Marktplätze
- Microtasking (Crowdwork)
- Ortsgebundene Dienstleistungen (Gigwork)
- Gastgewerbe
- Personenbeförderung und Lieferdienste
- Haushalts- und persönliche Dienstleistungen
Mapping der Plattformökonomie
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat eine interaktive, englische Karte zum Thema #Plattformarbeit in Europa veröffentlicht. Die Karte stellt unter anderem die rechtliche Situation in den verschiedenen Ländern dar und will aufzeigen, wo gehandelt werden kann und müsste. Neben der Karte gibt es unter der Adresse des Projekts unter anderem auch Fact-Sheets für zehn europäische Länder (viele weitere sind angekündigt).
Algorithmische Steuerung
Digitale Arbeitsplattformen nutzen häufig automatisierte Systeme. Per Algorithmus werden dabei Aufgaben an Plattformbeschäftigte vergeben, die Durchführung der Aufgaben überwacht oder bewertet.
EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit
Im Dezember 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission den Entwurf einer Richtlinie, durch den europäische Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten gesetzt werden sollen.
Der Richtlinienvorschlag zielt auf folgende Regelungskomplexe:
- Beschäftigungsstatus: Die EU-Kommission schätzt, dass EU-weit über 28 Millionen Menschen über digitale Arbeitsplattformen tätig sind, von denen 90 Prozent bisher dem Status von Selbstständigen zugeordnet sind, 5,5 Millionen Personen fälschlicherweise. Es soll – allerdings nur für Vertragsverhältnisse, die ab der Implementierung der Richtlinie geschlossen werden – sichergestellt werden, dass Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, den rechtmäßigen Beschäftigungsstatus erhalten, der ihren tatsächlichen Arbeitsregelungen entspricht.
- Algorithmisches Management: Plattformtätige sollen Schutz in Bezug auf die Verwendung des algorithmischen Managements erhalten. Die Richtlinie erhöht die Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen durch digitale Arbeitsplattformen, gewährleistet eine Überwachung der Einhaltung der Arbeitsbedingungen durch Menschen und sieht das Recht vor, automatisierte Entscheidungen anzufechten. Diese neuen Rechte werden sowohl Arbeitnehmer*innen als auch echten Selbstständigen – unter ausdrücklicher Nennung der Information an und möglichen Vertretung durch Interessenvertretungen – gewährt. Der Richtlinienvorschlag eröffnet die Möglichkeit von Sammelklagen, nicht aber den Weg zum Verbandsklagerecht.
- Durchsetzung, Transparenz und Rückverfolgbarkeit: Plattformbetreiber müssen die Tätigkeit in dem Land anmelden, in dem sie erbracht wird. Bei Verstößen sollen „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen greifen, deren Ausarbeitung nach dem Vorschlag den EU-Mitgliedstaaten aufgetragen wird.
Online-Arbeit auf Internet-Plattformen Orientierungshilfe zum Nebenverdienst, Hans J. Pongratz und Robin Schenkewitz (2018)
Fairwork hat es sich zur Aufgabe gemacht, die besten und schlechtesten Unternehmenspraktiken in der Plattformökonomie aufzuzeigen und zu zeigen, dass bessere und gerechtere Arbeitsplätze in der Plattformökonomie möglich sind.
Ein globales Netzwerk in 30 Ländern von Wissenschaftler*innen bewertet die Arbeitsbedingungen auf digitalen Plattformen an Hand von fünf Prinzipien für faire Arbeit. Das Netzwerk arbeitet eng mit Plattformbeschäftigten und Gewerkschaften, Plattformunternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Entscheidungsträgern zusammen, um eine gerechtere Zukunft der Arbeit zu gestalten.
Aktuelle Beiträge zum Thema Plattformarbeit
Podcasts
Podcast HDS im Gespräch (17.10.2022): Hinterfragt: Eine Studie zur Solo-Selbstständigkeit auf und über Online-Plattformen
Systemrelevant – der Wirtschaftspodcast der Hans-Böckler-Stiftung (18.12.2021): Wie gut reguliert die EU die Plattformarbeit?
Die Arbeitssoziologin Jasmin Schreyer beschreibt, was das Neue an Plattformökonomie ist und Orry Mittenmayer, Mitbegründer der Initiative „Liefern am Limit“, erzählt, wie Gig Worker zu Vorreiter*innen für Mitbestimmung wurden.
Democratize Work! Der Podcast zu Demokratie und Arbeit von und mit Forum Neue Politik der Arbeit (FNPA) e. V. & Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in der ZEWK der TU Berlin (05.03.2021): #4 Mitbestimmungswüste Plattformökonomie? –Wie können sich Beschäftigte bei Lieferando & Co. organisieren?
Deutschlandfunk Kultur, Breitband (18.04.2020): Die prekäre Lage der Gig-Worker, Selbstständig und doch abhängig?
Journalistische Beiträge
Wissenschaftliche Beiträge
Lorig, Philipp; Gnisa, Felix (2021): Arbeitsbedingungen und Interessenhandeln in der ortsgebundenen Plattformökonomie. Wissenschaftliche Expertise im Auftrag der INPUT Consulting gGmbH – Projekt Haus der Selbstständigen.
ArbeitGestalten (Hrsg.) (2020): Gigwork in Betreuung und Pflege – Digital vermittelte soziale Dienstleistungen in Berlin. Expertise.
Videos
Gorillas und Co.: Der Kampf für faire Arbeit. rbb 24, Jetzt mal konkret (02.03.2022).
Veranstaltungsdokumentationen
Positionspapiere
Ombudsstelle "Code of Conduct" für bezahltes Crowdworking
Die Ombudsstelle versteht sich als Vermittlerin zwischen Crowdworker*innen und Plattformen, die den „Code of Conduct“ für bezahltes Crowdworking unterschrieben haben. Der „Code of Conduct“ hat das Ziel, gute Standards für die Arbeitsbedingungen auf den Plattformen zu schaffen und beizubehalten. Crowdworker*innen, die sich auf einer Plattform ungerecht behandelt fühlen, können ein Online-Formular ausfüllen und ihr Problem ausführlich beschreiben. Die Ombudsstelle hat vielen Crowdworkern weltweit geholfen, eine faire Lösung im Konflikt mit der Plattform zu finden.